logo kopfgrafik links adresse mitte kopfgrafik rechts
   

FÖRDERGEBER

   Bundeskanzleramt

   Wien Kultur

PARTNER/INNEN

   Netzwerk Literaturhaeuser

   arte Kulturpartner
   Incentives

   Bindewerk

kopfgrafik mitte

Eva Menasse: Vienna

Es liest Eva Menasse
Gekürzte Lesung ca. 450 Minuten
6 CDs
ISBN 4 029758 622476
Köln: Random House Audio, 2005

Lesungen von Autoren, so genannte O-Töne, entwickeln sich zu wahren Verkaufsschlagern. Sie versprechen Authentizität. Gut so. Eva Menasse liest also aus Eva Menasses Erstlingswerk "Vienna", einer anekdotenreichen Geschichte einer jüdisch-katholischen Familie aus Wien.
Was passt dazu mehr, als eine Stimme unverkennbar österreichischen Ursprungs. Zwar eignet sich stimmlich nicht jeder Autor, jede Autorin, die eigenen Werke selbst vorzutragen, der in Wien geborenen Eva Menasse kann der Zuhörer jedoch diesbezüglich nichts vorwerfen. Sie macht ihre Sache naturgemäß recht gut.

Der an die eigene Familienbiografie angelehnte Roman erschien, Dank des bekannten Namens der Autorin, mit einer Startauflage von 50.000 Exemplaren. Bei Eva Menasses Halbbruder handelt es sich nämlich um Robert Menasse, bei ihrem Vater um den ehemaligen beliebten Fußballer Hans Menasse. Beide Verwandte finden sich leicht verfremdet, aber unverkennbar in "Vienna" wieder. So wird zum Beispiel der Literat Robert Menasse zu einem angesehenen Historiker.

"Vienna" wurde bei seinem Erscheinen im Feuilleton lebhaft rezensiert, hochgelobt (z.B. FAZ) und verrissen (z.B. Falter). Die wohlwollende Aufnahme, vor allem in Deutschland, lässt Vergleiche zum Erfolg des Österreichers Arno Geiger ziehen. Sein Roman "Es geht uns gut" wurde im Oktober 2005 mit dem "Deutschen Buchpreis" für den "besten deutschsprachigen Roman" ausgezeichnet. Der Wiener Germanist Wendelin Schmidt-Dengler erklärt das verstärkte Interesse an österreichischer Literatur im gesamtdeutschen Sprachraum mit dem "Reiz des Exotischen". Auch die Hörer und Leser von Menasses Debüt mögen diesem Reiz unterliegen. Hier wird "gekeppelt" statt "geschimpft", die Menschen sind "grantig" und nicht "übellaunig". Hier regiert das österreichische Idiom, auch wenn, für Österreich eher untypisch, ständig von "Vettern" und nicht von "Cousins" die Rede ist. Mit dem sonst konsequent geführten Sprachgebrauch, vermischt mit jüdischem Jargon ("Wo hat man je gesehen an jiddischen Dreher?"), gelingt der Autorin ein reich koloriertes Bild einer Familiengeschichte aus Wien, die in den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts ihren Anfang nimmt und bis zur Gegenwart reicht.

Die Hörvariante des Buches bestätigt jedoch auch die Bedenken der Kritik. Als Zuhörer sieht man sich mit einer Unmenge von familiären Episoden konfrontiert, die in ihrer Anordnung nicht immer plausibel scheinen und keiner offensichtlichen Chronologie folgen. Zwar ist der vorgetragene Text, genau wie die gedruckte Variante, in programmatische Kapitel gegliedert, im Verlauf verliert sich der Zuhörer aber in der großen Menge der Anekdoten und Kurzepisoden. Hier ist der Leser sicher im Vorteil. Die von Random House gestalteten 5 bis 10 Minuten-Einheiten helfen leider wenig zur Orientierung innerhalb des Vortrags. Und genau hier liegt das Problem: "Vienna" präsentiert sich dem Zuhörer weniger als ein Roman mit stringentem Handlungsverlauf, sondern eher als eine Ansammlung unterschiedlicher Familienerinnerungen. Dass es sich bei der Lesung um eine gekürzte Fassung des Originaltextes handelt, ist daher nicht auffallend und stört nicht im Geringsten. Die zum größten Teil namenlosen Protagonisten scheinen stets gemeinsam am Tisch zu sitzen und kollektiv familiäre Angelegenheiten zu thematisieren. Als Ventil für den Umgang mit der problematischen Vergangenheit (Großvater Jude, Mutter Katholikin) und der Gegenwart (Ist man als Kind eines Juden und einer Katholikin tatsächlich Jude?) dient vor allem den männlichen Mitgliedern der Humor.
Eva Menasse schafft es, den Hörtext mitunter einleuchtend und amüsant zu bebildern, wenn sie zum Beispiel den Vater mit einem "vernünftigen Eichhörnchen" vergleicht, der es schaffte, sein "Geschäft zu stabilisieren und es dabei weiterhin zärtlich als stinkerten Kobel zu bezeichnen."
Mehrheitlich bleiben die Protagonisten aber undefiniert. Die älteren Frauenfiguren sind durchwegs Karten- und Würfelpoker spielende Medusen, die entweder fachsimpeln oder zetern. Die männlichen Familienmitglieder sind als oberflächliche Schmähführer gezeichnet, die sich durch nichts als die "Wuchteln" auszeichnen, die sie schieben: Die vermeintlich lustigen Schmähs der Familie kann der Hörer dabei oftmals nicht nachvollziehen.

Zum Konsumieren von Hörbüchern benötigt man eine ebenso hohe Aufmerksamkeitsspanne und Konzentration wie zum Lesen. Dieses Hörbuch schafft es aber nicht, durch die Dauer von doch 7,5 Stunden und der sich einstellenden Monotonie, den Zuhörer über eine längere Zeit hinweg wirklich zu fesseln. Mit regelmäßigen kurzen Passagen ist man, gemessen am Unterhaltungswert, dennoch gut bedient!

 

Originalbeitrag

Julia Hamminger
20. Oktober 2005

Suche in den Webseiten  
Link zur Druckansicht
Veranstaltungen
Junge LiteraturhausWerkstatt

Mo, 05.02. bis Mi, 07.02.2018, 15.00–19.00 Uhr Dreitägiger Schreibworkshop für...

Verleihung der Übersetzerpreise der Stadt Wien 2016 & 2017

Do, 08.02.2018, 19.00 Uhr Preisverleihung & Lesung Der mit € 3.700 dotierte Übersetzerpreis...

Ausstellung

Tipp
flugschrift Nr. 22 – Paul Divjak

Mit Rebranding flugschrift greift der Autor und Künstler Paul Divjak das Thema von...

Incentives – Austrian Literature in Translation

Neue Beiträge zu Clemens Berger, Sabine Gruber, Peter Henisch, Reinhard Kaiser-Mühlecker, Barbi...