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Leseprobe: Andi Wahl - "Mit Gottes Kraft. Ein Bauernroman."

Dass in dem Seminarhotel nur lauter Esoterikseminare abgehalten werden, hat der Bürgermeister ja auch nicht wissen können. Aber blöd ist es halt schon, weil wir hamms jetzt da, die ganzen bloßfüßigen Esoterikdeppen. Die Männer mit einem Bart wie ein Räuberhauptmann und langen Haaren wie ein Reservechristus und die Weiber mit langen Röcken, als ob sie zum Hamstern gekommen wären und eine halberte Sau verstecken müssten. Sicher, die Straßen sind schon viel sauberer, wenn wieder einmal ein Seminar ist, weil die Esoterikweiber mit ihren Fetzen den ganzen Dreck von der Straße wegkehren. Unser Gemeindesekretär hat sogar einmal ein Büchl mit "Tipps für Kurzwanderungen" für die Seminarteilnehmer zusammengestellt. Die Wege waren so ausgeklügelt, dass die Esoteriker im ganzen Ort herumkommen und den Dreck zusammenkehren. Alle empfohlenen Kurzwanderungen haben auf dem Gemeindebauhof geendet. Dort hätte man die Esoterikweiber nur über einem Container ordentlich ausklopfen müssen, und der ganze Dreck wäre beieinander gewesen. Aber selbst dazu sind die Esoteriker und ihre Weiber nicht zu brauchen. Die sind immer kreuz und quer herumgelatscht und haben den Straßendreck nur gleichmäßig im Ort verteilt. Jetzt muss der Straßenmeister erst wieder alles mit dem Reinigungswagen wegspülen.
Und überhaupt hat die Gemeinde viel mehr Schererein mit den Esoterikern, als sie Nutzen aus dem Seminarhotel zieht. Denn Wirtschaftsfaktor sind die weiß Gott keiner. Erstens haben die meisten kein Geld, und zweitens glaubens sowieso, dass bei uns alles gratis ist. Der Königshofer Alois, dem sein Hof ist gleich neben dem Seminarhotel, hat mir erzählt, dass die Esoteriker dauernd bei ihm im Hof sitzen und einen Most nach dem anderen saufen. Aber statt, dass einer einmal ein paar Hunderter auf den Tisch legt, damit der Königshofer auch ein bisserl ein Gschäft macht, sagen sie ihm immer nur, dass er so eine klasse Aura und so ein super Karma hat. Da kriegst aber nix drum um so eine Aura, und ein Karma kannst auch nicht in Scheiben schneiden und auf dem Bauernmarkt verkaufen. Früher haben die Esoteriker in der Nacht sogar die Erdäpfel ausgegraben und gleich roh gegessen, wegen der geballten Erdenergie, wie mir mal einer von denen erzählt hat. Die Bauern rundherum haben schon angefangen Fangeisen auszulegen, damit sie einmal einen von den Hunden erwischen. Aber der Bürgermeister war dagegen. Stattdessen, so hat er gemeint, sollten wir ein paar leere Kunstdüngersäcke herumliegen lassen, weil Kunstdünger scheut der Esoteriker wie der Teufel das Weihwasser. Der Franz hat damals vorgeschlagen, dass man zur Abschreckung ein paar Esoteriker zum Abschuss freigeben sollte, eh nur ein paar von den älteren, damit wir keine Probleme mit der Jagdaufsicht bekommen. Aber das mit den Kunstdüngersäcken hat dann eh funktioniert. Ein Glück hamms schon auch oft, die Gfraster.
Mir persönlich sind die Esoteriker ja ziemlich wurscht. Zu mir kommt sowieso nur ganz selten einer herauf, und wenn sich wirklich einmal einige verirren, sag ich ihnen einfach, dass da bei mir heroben lauter negative Erdstrahlen sind. Da sinds dann gleich wieder weg, gerade dass sie sich nicht gegenseitig auf die Fersen steigen, so rennen sie. Außer natürlich es sind ein paar fesche Weiber dabei, dann erzähle ich ihnen, dass drüben in der Steinleitn eine alte keltische Kultstätte ist, dort hätten die Kelten ihren Göttern Tieropfer dargebracht, und wenn sie möchten, könnten sie sich ein paar von den Steinen zusammenklauben, mit denen die Kelten die Viecher erschlagen haben - schon wegen der okkulten Schwingungen. Wenn sie dann drüben in der Steinleiten sind und sich ihre Steine zusammensuchen, hol ich mir den Gucker und schau den Weibern auf den Arsch. So sind die Esoteriker doch auch für was gut. Sie klauben mir die Steine aus der Leiten und obendrein komm ich zu einer kleinen voyeuristischen Freude.

© 2002 Sisyphus, Klagenfurt.
Publikation mit freundlicher Genehmigung des Verlags.

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