Ein kurzer Beitrag der Nachrichtensendung zeigte, wie so oft, den Wiener Bürgermeister. Mit Ausländern. Franz Hofer hatte nichts gegen Ausländer, solange sie nicht nach Österreich einwandern wollten. Vor kurzem erst hatte er einem Entwicklungshilfeprojekt für Äthiopien zweitausend Schilling überwiesen. Für Erdbebenopfer im Friaul hatte er Mitter der siebziger Jahre gleich ein ganzes Monatsgehalt gespendet. Und einer spanischen Frau, die Mann, Hof und Vieh verloren hatte, hatte er zehntausend Schilling geschickt. Er hatte im Prinzip auch nichts gegen Ausländer, die bereits seit Jahrzehnten in Österreich lebten. Die Gastarbeiter, die Türken, die je eigentlich nichts dafür konnten, ins Land gebeten worden zu sein. Die wahren Verbrecher, notierte Franz Hofer, weil ihm der Satz so gut gefiel, waren jene, die die Ausländer ins Land holten. Wie der Wiener Bürgermeister. Wien hätte vom Zuzug der Ausländer stets profitiert, das war dessen Stehsatz. Auch die Steirer, sagte er ungefragt, seien ja in Scharen in die Metropole Wien gezogen. Franz Hofer konnte die Floskeln nicht mehr hören. Doch die Aggression, die noch vor wenigen Wochen in ihm hochgekrochen war, wenn der Bürgermeister vom Bildschirm polterte, hatte sich nun in ein geradezu euphorisches, rauschhaftes Gefühl von Macht verwandelt. (S. 31f.)
Lümmer wußte, daß sein Chef eher der Einzeltätertheorie anhing. Er wollte sich keine Terrorgruppen in seinem Land vorstellen. Lümmer konnte sich über das Lob nicht freuen. Es wäre ihm lieber gewesen, es nicht zu hören. Zum ersten Mal war evident, daß ihn der Attentäter als Gegenspieler ausgemacht hatte. Seither hatte es sich Lümmer angewöhnt, im Auto zu warten und erst Gas zu geben, wenn er sah, daß sein Sohn tatsächlich im Schulgebäude war. Er wagte sich nie zu weit an die Gleise, wenn er die U-Bahn benutzte. Nichts war mehr selbstverständlich.
Wieviele Briefkästen es plötzlich um ihn herum gab. Er fühlte sich beinahe umzingelt. Lümmer bemerkte sie erst, als er von dem jüngsten Schritt der Briefbombenfahnder unterrichtet wurde. Dabei waren sie mit ihrem leuchtenden Gelb eigentlich gar nicht zu übersehen. An jeder besseren Straßenecke stand einer, vermutlich schon seit Jahren. Nun fielen sie Lümmer auf. (S. 188)
(c) 1998, Deuticke, Wien, München.
Publikation mit freundlicher Genehmigung des Verlags.
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