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Kirstin Breitenfellner: das ohr klingt nur vom horchen.

Gedichte.
Innsbruck, Bozen, Wien: Skarabæus, 2005.
77 S.; geb.; Eur 12,-.
ISBN 3-7082-3182-1.

Link zur Leseprobe

Der Titel deutet bereits an, mit was für einer Art von Gedichten man es in dem Band von Kirstin Breitenfellner zu tun hat. Der Klang geht darin dem Gehalt allemal voraus. Die bewusste Kleinschreibung stellt ihre Klanggedichte zudem in die Tradition der österreichischen Avantgarde, von der sie stark affiziert scheint.
Der Band folgt einem strengen und mitunter allzu strengen Formbewusstsein, das sich in augenscheinlichster Weise in der Uniformität der Titel äußert: DRUCK/STELLEN werden im ersten Teil abgetastet, von "physio-logisch" bis "frag-los". Die sekundäre Aufspaltung von Komposita und Nicht-Komposita in sich semantisch ergänzende und doch auch einzeln bedeutsame Teil-Morpheme hat dabei nicht immer erkennbare Funktion, sondern scheint gelegentlich bloß willkürliche Sprachzertrümmerung, der kein etwaiger semantischer Mehrwert Rechtfertigung verleihen würde.

Dennoch muss man sagen, dass sich bei Breitenfellner ein frisches Gefühl für Sprache mit einer situativen und emotionalen Reflexivität paart, die man so selten findet in der deutschsprachigen Gegenwartslyrik von Frauen. Ginka Steinwachs könnte man als Vergleichsgröße vielleicht nennen oder Bettina Balàka.
Das titelgebende Gedicht "gehör/gang" etwa lautet so: "das ohr klingt / nur vom horchen wider / lärm pflanzt sich in blanken / nerven fasernd fort // der schweresinn bringt / nur in stille nieder / meidet flanken / ich und du an einem ort". Das ist zweifellos gute Lyrik, die sich vom Sprachklang und von der Vorstellungskraft einzelner prägnanter Worte leiten lässt und dabei auch den nahe liegenden Neologismus nicht scheut. Über dem allem schwebt ein Sinn, ein "schweresinn", der nicht linear dekodierbar ist, sondern eher flächig arbeitet.

Im zweiten Abschnitt mit dem Titel "das tier verrückt ernährt die sucht" nimmt die kompositorische Spracharbeit noch größeren Raum ein. Hier zeigt sich ganz besonders, dass die deutsche Sprache mit dem Kompositum über ein wesentliches Instrument der polysemantischen Aufladung verfügt, dessen sich die zeitgenössische Lyrik - man denke etwa auch an Franzobel oder Thomas Kling - nur allzu gerne bedient: "mein armer hirnmund / schwer an gott vermessen", "überdrüssig / himmelsspießig / die gedanken gernegroß / in sonnenhaft und tatenring / ein rutenlauf sinnt bloß". Ein Spießrutenlauf ist das Denken, ein Möchtegern-Erfassen, das aber zumeist im bloßen Sinnen stecken bleibt.

Die Bewährungsprobe hat jegliche Lyrik dort zu bestehen, wo sie von der Liebe spricht. Breitenfellner tut dies in unreinen Reimen, die von der prinzipiellen Problematik des Sprechens über Liebe zu zeugen scheinen: "die liebe ist / ja kein gedicht / die sehnsucht frisst / sich durch den mist" oder: "die liebe spricht / nicht vor gericht / und keine frage frisst / sich durch den zwist". Das sind Zeilen, die der seltsamen Verfasstheit der Emotionalität gerecht werden, ohne im Sumpf eingeschliffener Rede zu versinken. Auch wenn sich nicht alle Gedichte auf diesem hohen Seil halten, bleibt doch der Eindruck einer sprachgenerierten und von Gefühl durchpulsten, sehr gegenwärtigen Gegenwartslyrik.

Nicole Streitler
6. Juli 2005

Originalbeitrag

Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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