verkehrte welt
dragana hat sich ein trachtenkostüm gekauft, ein ganz teures, mit bestickten lederaufschlägen, und hirschhornknöpfen. erst einmal ist sie damit straßenbahn gefahren, die leute waren gleich viel freundlicher zu ihr.
margot hat sich entschlossen, das kopftuch zu tragen. zuerst hat sie sich nur ihrem mann zuliebe mit dem islam beschäftigt, aber irgendwann ist ihr dann klar geworden, daß der islam ihre religion ist. die leute reagieren nun anders auf sie, machen sich lustig oder versuchen sich in gebrochenem deutsch. die klofrau am südbahnhof sagte gar, du nix machen schmutzig am klo. ihr mann - früher nannte sie ihn einfach mustafa, doch seit sie muslima ist, redet sie von ihm nur noch als mein mann - ihr mann hat sich am beginn seiner zeit in österreich sehr gewundert, daß die leute so schlecht deutsch sprechen. er dachte zuerst, er gerate immer an analphabetische bauern, wenn er jemanden nach dem weg fragte. er hatte in ägypten jedenfalls viel besser deutsch gelernt als diese leute. als er nach einem weg fragte, bitte wo geht es hier zur universität, erhielt er als antwort: du erst gehen links dann du sehen haus großes. als margot ihm erklärte, daß es wiener brauch sei, mit fremden so zu reden, wollte er es nicht glauben.
margot nennt sich nun maryam und geht bauchtanzen. das hat sie früher auch schon getan, aber die wahre spiritualität ist erst durch den islam dazugekommen. ihr mann hat sie zwar enttäuscht, als er ihr sagte, daß in ägypten längst nicht alle frauen bauchtanzen. aber was solls, dort werden die frauen sich auch noch auf ihre matriarchalischen wurzeln besinnen. immerhin fährt ihre bauchtanzlehrerin jedes jahr ein paar monate nach ägypten, um dort bauchtanz zu unterrichten. die meisten teilnehmerinnen sind zwar touristinnen, doch das erleichtert nadya, die früher gerda hieß, die kommunikation.
(S. 133)
© 2003, Sisyphus, Klagenfurt.
Publikation mit freundlicher Genehmigung des Verlags.