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Leseprobe: Claudia Bitter - "Verloren gehen."

Das Letzte

Das Letzte war irgendwie anders, das war nicht so wie seine Geschwister, ja, es war wieder ein Mädel, aber es wirkte weder als Mädel noch als Bub, es wirkte als gar nichts, es war seltsam das Letzte, das fiel einem nicht gleich auf, anfangs war es ein Baby wie die anderen auch, erst im Nachhinein hat man bemerkt, dass es immer schon seltsam war mit dem Letzten, es hat zum Beispiel kaum oder vielleicht sogar gar nicht geschrieen, so genau kann man das nicht sagen, weil ein ruhiges Baby ja was Wunderbares ist, hat man das gar nicht gemerkt, man kann doch nicht alles merken, das ist etwas zu viel verlangt. Dass es immer schon irgendwie belämmert aus der Wäsche geschaut hat, dabei hat man sich nichts gedacht, mongoloid war es nicht, da war man sich sicher, das hätte gerade noch gefehlt, von denen gab es schon genug im Dorf. Nein, so eines war das Letzte zum Glück nicht. Was sollte also schon Besonderes mit ihm sein, wird sich schon auswachsen, dachte man. Man konnte sich ja nicht um jedes einzelne Kind kümmern, wo käme man da hin, man musste sich schon auf die wichtigen Dinge konzentrieren, Hauptsache sie waren gesund, aßen normal und brachten sich nicht gegenseitig um, da konnte man schimpfen was man wollte, es wurde gestritten und gerauft auf Teufel komm raus, und immer plärrte dann eines, und sie konnten so laut plärren, dass es zum Davonlaufen war, das Geschrei machte einen fix und fertig, dass man sie am liebsten windelweich geschlagen hätte, bis sie keinen Ton mehr von sich geben, aber da war Zusammenreißen angesagt, und das war bei Gott nicht immer leicht. Wenn gleich zwei plärrten, kam es einem vor, als plärrten sie um die Wette, bis die Wände wackeln. Nur das Letzte plärrte nie, als es groß genug war, um bei den Raufereien mitzutun, kamen die anderen drauf: man kann dem Letzten alles Mögliche antun, ein Büschel Haare ausreißen, ins Gesicht spucken, einen Magenboxer mit der Faust versetzen, das Letzte schaut immer gleich belämmert aus der Wäsche, es schreit nicht, es weint nicht, es gibt keinen Mucks von sich, das machte einen schon stutzig, was sollte man davon halten? Da setzt man sich zum Letzten und zwickt es kräftig in den Oberarm, jedes Kind hätte aufgeschrieen, das Letzte aber verzieht keine Miene. Das Ganze war schon irgendwie unheimlich, aber man fand es auch lustig.
(S. 45f.)

© 2008 Klever Verlag, Wien.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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