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Leseprobe: Hellmut Butterweck - "Tote im Verhör."

Je näher sie der Stadt kamen, desto größer wurden die Zerstörungen. Er sah löchrige Dächer, Fenster, die mit Holz oder Pappe vernagelt waren, und in den Außenbezirken sah er Ruinen und immer mehr Ruinen. Ich habe, dachte er, genug Tod und Zerstörung für drei Leben gesehen. Überall sah er nun Menschen, die Schutt wegschaufelten, manche schaufelten unter Bewachung. Welches Datum haben wir, dachte er, welch ein schöner, leuchtender, wunderbarer Frühlung, dieser Frühling wird dir immer in Erinnerung bleiben. Doch was erwartet dich?
Es wurde dunkel, als die drei Fahrzeuge das Stadtzentrum erreichten. Beim ausgebrannten Operngebäude hielten sie und der Fahrer redete kurz mit der Rotarmistin, die auf der Kreuzung den Verkehr regelte. Sie war nicht mehr jung, aber erfreulich anzusehen und trug über dem gewellten Haar ein keckes Schiffchen. Über der Schulter hatte sie ihr Sturmgewehr hängen und ihre Beine steckten in klobigen Stiefeln. Sie wies in die Richtung zu den Museen. Beim Weiterfahren erhaschte er an den hohen Mauerresten einer Ruine vorbei einen Blick auf die Albertina. Fenster, durch die man ins Freie sah, davor auf der Straße ein Gewirr von Holzbalken und Schutt. Er starrte wie gebannt, während ihm plötzlich die Heilrufe vom März 1938 in den Ohren dröhnten. Ihr habt nichts besseres verdient, dachte er, während ihm beim Anblick der Zerstörungen der Schmerz durch den Körper fuhr, dachte: Aber das alles hat ja nicht nur euch gehört, das alles hat schließlich auch mir gehört.
(S. 9)

Viktor Ruff, ungefähr so könnte sich Ihre Rückkehr nach Wien abgespielt haben. Natürlich könnten Sie an jenem 8. Mai auch in einem klapprigen alten Autobus oder zu Fuß die Stadtgrenze erreicht haben. Auf Kohlen, Kanonen, Tanks, zu Fuß, so haben Sie selbst dem Richter Ihre Heimkehr beschrieben. Auch auf Bahnpuffern seien Sie "gereist", lesen wir in einer Eingabe an den Untersuchungsrichter. Irgendwie muss ich mir diese Heimkehr vorstellen, die vielen Lücken zwischen Ihren kargen Sätzen füllen. Anders kann Ihr Leben schwer erzählt werden, und erzählt muss es werden. Ich werde also mit der Freiheit des Erzählers einspringen, wo das Material schweigt. Ich werde freilich den Leser stets wissen lassen, wo die gesicherten Fakten auslassen und die Vorstellung, wie es gewesen sein könnte, beginnt.
(S. 11)

© 2008 Picus Verlag, Wien.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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