logo kopfgrafik links adresse mitte kopfgrafik rechts
   

FÖRDERGEBER

   Bundeskanzleramt

   Wien Kultur

PARTNER/INNEN

   Netzwerk Literaturhaeuser

   arte Kulturpartner
   Incentives

   Bindewerk

kopfgrafik mitte

Leseprobe: Toni Bernhart - "Martinisommer. Neue Stücke."

Mutter: Es ist Martinisommer!
Der Junge: Was soll das?
Mutter: Der Sommer des heiligen Martin, mein Kind. Weißt du noch? (Singt) Ich geh' mit meiner Laterne, und meine Laterne mit mir ...
Der Junge: Lass den Scheiß.
Mutter: Erinnerst du dich nicht mehr? Die Geschichte vom heiligen Martin?
Der Junge: Kenn ich nicht.
Mutter: Die mit dem Mantel! Erinnerst du dich denn an gar nichts mehr?
Der Junge: Sollte ich?
Mutter: Ich bin doch deine Mutter!
Der Junge: Du bist, ein dreckiges Tier bist du, mit langen Titten und einer stinkenden Fotze.
Mutter: Wie sprichst du mit mir?
Der Junge: Wie ich will.
Mutter: Bist du ein Engel?
Der Junge: Ich wollte, ich wär's.
Mutter: Früher warst du anders.
Der Junge: Du warst früher auch anders. Du hast mich geliebt.
Mutter: Aber ich liebe dich doch immer noch, mein Kind.
Der Junge: Bist du sicher?
Mutter: Warum fragst du?
Der Junge: Weil ich mir nicht sicher bin.
Mutter: Hast du Hunger?
Der Junge: Nein.
Mutter: Es war so schrecklich.
Der Junge: Hör auf damit.
Mutter: Ich sehe manchmal einen Jungen, der dir ähnlich sieht. Wo bist du? Wo warst du, damals? Hattest du Angst? Wie groß waren deine Schmerzen? Wo war deine Mutter, als du Angst hattest? Wie spät war es, als du getötet wurdest? Wo war dein Vater, als sie dir die Knochen brachen? Ich hatte meine Brust gefüllt mit Leben und Gnade für dich. Niemand nimmt dir noch einmal was weg! Ich stellte dich, als du klein warst, beim Einkaufen manchmal als Platzhalter in die Schlange vor der Kasse. Ich holte, was ich vergessen hatte. Du warst so duldsam. Das war so praktisch. Wo bist du? Ich habe nie erfahren, was aus dir wurde, nachdem du tot warst. Ist dir warm? Trägst du einen Bart oder rasierst du dich täglich? Hast du schon mit einem Mädchen geschlafen? Macht man das bei euch? Zeige dich bitte, wenn du in der Gegend bist. Ich möchte dich sehen.
Der Junge: Warum ist Tom jetzt nicht bei mir? Ich war doch bei ihm, als ihn der Lastwagen zerquetschte. Wo ist Tom jetzt? Im Hundehimmel?
Mutter: Tom war doch dein Freund.
Der Junge: Tom war mein Hund.
Mutter: Du hattest nie einen Hund.
Der Junge: Hatte ich doch.
Mutter: Nein, mein Kind.
[...]
Der Junge:Ich muss fort.
Mutter:Bleib.
Der Junge:Ich kann nicht.
Mutter:Warum?
Der Junge:Weil ich tot bin.
Mutter:Bist du dir sicher?
Der Junge:Warum fragst du?
Mutter:Weil ich mir manchmal nicht ganz sicher bin.
Der Junge: Ich verstehe das.
Mutter:Das kannst du nicht verstehen.
Der Junge:Doch. Du bist meine Mutter.
Mutter:Ich möchte gerne wieder arbeiten.
Der Junge:Mach es doch.
Mutter:Ich kann nicht.
Der Junge:Warum?
Mutter:Ich weiß es nicht.
Der Junge:Du kannst es.
Mutter:Bist du sicher?
Der Junge: Ja.
(S. 18ff)

© 2005, Skarabaeus Verlag, Innsbruck - Bozen - Wien.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Suche in den Webseiten  
Link zur Druckansicht
Veranstaltungen
Junge LiteraturhausWerkstatt

Mo, 05.02. bis Mi, 07.02.2018, 15.00–19.00 Uhr Dreitägiger Schreibworkshop für...

Verleihung der Übersetzerpreise der Stadt Wien 2016 & 2017

Do, 08.02.2018, 19.00 Uhr Preisverleihung & Lesung Der mit € 3.700 dotierte Übersetzerpreis...

Ausstellung

Tipp
flugschrift Nr. 21 – MARK Z. DANIELEWSKI

Dem amerikanischen Autor Mark Z. Danielewski gelang es mit seinem Roman-Debut Das...

Incentives – Austrian Literature in Translation

Neue Beiträge zu Clemens Berger, Sabine Gruber, Peter Henisch, Reinhard Kaiser-Mühlecker, Barbi...