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"Ein Streichelinstitut", sagte die Beamtin, "soso. Mit asiatischen Mitarbeiterinnen?" Sie blickte mich wie ein eben entdecktes Tier an. Ich hoffte, sie würde nie bei mir als Klientin auftauchen. Andererseits wusste ich auch, dass ich mir das nicht würde aussuchen können. Immerhin gab es allerlei Antidiskriminierungsrichtlinien, und ich konnte niemanden abweisen, weil ich ihn oder sie aus körperlichen oder ideologischen Gründen abstoßend fand – oder weil ich ihn oder sie, wie man zu Recht sagt, nicht riechen konnte. Während die Beamtin in ihren Unterlagen blätterte, musste ich mir unentwegt vorstellen, wie sie sich auf die Couch in meinem Streichelzimmer legen, sich ausziehen und für ihre Hilfe bei der Beschaffung des Gewerbescheins das verlangen würde, wofür asiatische Mitarbeiterinnen offenbar standen. Eine Hand streichelte bekanntlich die andere. Wenn es bloß das gewesen wäre! "Also ein Massageinstitut?" Streicheln ist nicht Massieren." [...] "Unser Problem ist, dass es in Wien kein Streichelinstitut gibt." "Darum eröffne ich auch eines." "Und deswegen können wir es wie bei einem Massageinstitut –" "Aber kein Sex, unter keinen Umständen, verstehen Sie?" "Wie ein Massageinstitut, das auch ein Massageinstitut ist. Das kommt Ihrer Unternehmung am nächsten." "Können Sie Massage- und Streichelinstitut eintragen?" [...] "Was bezwecken Sie mit dem Streicheln?" "Wohlgefühl, Erleichterung, Entspannung. Es gibt ja so viele einsame Menschen in der Großstadt, Sie können sich gar nicht vorstellen, wie –" "Also Lebensberatung. Der Gewerbeschein für Lebensberatung ist günstiger." "Wie all die Hobbypsychologinnen, Kartenlegerinnen und Kaffeesudleserinnen?" "Wenn Sie es so nennen wollen: Ja." "Schön, ich kann in der Umgebung leben." "Meinen Sie das ernst?" "Sehe ich aus, als ob ich scherze?" "Ehrlich gesagt: Ja."
(S. 43ff)
© 2010 Wallstein Verlag, Göttingen.
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