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Leseprobe: Stephan Alfare - "Meilengewinner."

Seit sieben Uhr herrschte reger Betrieb in der Bar.
Männer und Frauen aus beinahe allen Teilen der
Welt warteten jeden Morgen vergeblich.
Die Frauen mit ihren flinken Fingern gaben im
Frühling hervorragende Tomatenpflückerinnen
ab; die Männer eigneten sich für fast alles, wenn sie
einigermaßen kräftig und nicht absolute Schnapsbrüder
waren, und es gab einige von der Sorte im
Dorf, mit verschrumpelter Leber und rissigem
Magen. Und jene, die sich scheuten: die Irren,
die Krüppel, die Schnorrer – für sie waren es gute
Wochen, denn die Fremden im Dorf hielten zusammen.
Bier und Schnaps wurden bezahlt, Flaschen mit
Harzwein und Rotwein vom Faß. Der Frühling
war noch weit. Viel weiter noch der Sommer, der
Touristensommer mit den fremden Währungen.
Es gab kaum fremdes Geld in Paleohora während
des Winters. Mein häßliches Bild an der Wand,
mit einer abscheulichen Aufnahme der Ruinen
von Malia, machte mich zum wohl wohlhabendsten
Fremden in diesen Tagen im Dorf.
Ich scherte mich einen Dreck darum, die Drachmen
bedeuteten mir wenig. Bevor die Hosentaschen
leer waren, machte ich mich auf den Weg zur
kleinen Bank an der Hauptstraße. Rechts war die
Bäckerei, links die blaue Bar mit dem einäugigen
Zigarettenmann, dem Dynamitfischer, der seine
Zigaretten mit vernarbten Armstümpfen verkaufte.
10
Ich kam am schmutzigen Schaukasten vorüber,
mit dem vergilbten Plakat für die Abendvorstellung
im Freiluftkino, um gleich dahinter bei der
Bank einen Hundertdollarschein einzuwechseln.
Der Vormittag war trüb gewesen, jetzt brach die
Sonne durch. Gegenüber von Michalis' Bar schloß
der Busfahrer den Kofferraum. Der Autobus spie
schwarzen Rauch und machte sich zum zweiten Mal
an diesem Tag auf den Weg nach Chania. Casey
und ich sahen zur Glasfassade auf die staubige
Straße hinaus. Ein junger Baum wuchs auf dem
Gehsteig, eingezäunt mit Maschendraht.
Das war, als sie die Bar betrat.
Die Frau starrte vor Dreck. Sie trug eine zerrissene
Bluse ohne Farbe, an der in der Mitte zwei Knöpfe
fehlten, darüber eine zerfranste Strickjacke, speckig-
glänzend, einen schwarzen, viel zu langen
Rock mit schmalen gelbbräunlichen Streifen, die
einmal weiß gewesen sein mußten. Die Frau war
barfuß in den ausgetretenen Kunstlederhalbschuhen.
Ihren Kopf mit dem schwarzen Haar, das weit
über die Schultern bis zum breiten Hintern reichte
und fettig und womöglich verlaust war und aussah,
als sei es aus abgenutzten Strängen aus schmierigem
Seil gemacht – diesen Kopf hatte sie zwischen
die Schulterblätter gezogen, so daß sie einen
Buckel machte, als sie in die Bar tappte. Sie hatte
die Finger ineinandergeflochten wie beim Beten,
vor dem Schoß ineinanderverknotet, und die Finger
zitterten, die Frau zitterte am ganzen Körper.
(S. 7-10

 

© 2008 Luftschacht Verlag, Wien.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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