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Seit sieben Uhr herrschte reger Betrieb in der Bar. Männer und Frauen aus beinahe allen Teilen der Welt warteten jeden Morgen vergeblich. Die Frauen mit ihren flinken Fingern gaben im Frühling hervorragende Tomatenpflückerinnen ab; die Männer eigneten sich für fast alles, wenn sie einigermaßen kräftig und nicht absolute Schnapsbrüder waren, und es gab einige von der Sorte im Dorf, mit verschrumpelter Leber und rissigem Magen. Und jene, die sich scheuten: die Irren, die Krüppel, die Schnorrer – für sie waren es gute Wochen, denn die Fremden im Dorf hielten zusammen. Bier und Schnaps wurden bezahlt, Flaschen mit Harzwein und Rotwein vom Faß. Der Frühling war noch weit. Viel weiter noch der Sommer, der Touristensommer mit den fremden Währungen. Es gab kaum fremdes Geld in Paleohora während des Winters. Mein häßliches Bild an der Wand, mit einer abscheulichen Aufnahme der Ruinen von Malia, machte mich zum wohl wohlhabendsten Fremden in diesen Tagen im Dorf. Ich scherte mich einen Dreck darum, die Drachmen bedeuteten mir wenig. Bevor die Hosentaschen leer waren, machte ich mich auf den Weg zur kleinen Bank an der Hauptstraße. Rechts war die Bäckerei, links die blaue Bar mit dem einäugigen Zigarettenmann, dem Dynamitfischer, der seine Zigaretten mit vernarbten Armstümpfen verkaufte. 10 Ich kam am schmutzigen Schaukasten vorüber, mit dem vergilbten Plakat für die Abendvorstellung im Freiluftkino, um gleich dahinter bei der Bank einen Hundertdollarschein einzuwechseln. Der Vormittag war trüb gewesen, jetzt brach die Sonne durch. Gegenüber von Michalis' Bar schloß der Busfahrer den Kofferraum. Der Autobus spie schwarzen Rauch und machte sich zum zweiten Mal an diesem Tag auf den Weg nach Chania. Casey und ich sahen zur Glasfassade auf die staubige Straße hinaus. Ein junger Baum wuchs auf dem Gehsteig, eingezäunt mit Maschendraht. Das war, als sie die Bar betrat. Die Frau starrte vor Dreck. Sie trug eine zerrissene Bluse ohne Farbe, an der in der Mitte zwei Knöpfe fehlten, darüber eine zerfranste Strickjacke, speckig- glänzend, einen schwarzen, viel zu langen Rock mit schmalen gelbbräunlichen Streifen, die einmal weiß gewesen sein mußten. Die Frau war barfuß in den ausgetretenen Kunstlederhalbschuhen. Ihren Kopf mit dem schwarzen Haar, das weit über die Schultern bis zum breiten Hintern reichte und fettig und womöglich verlaust war und aussah, als sei es aus abgenutzten Strängen aus schmierigem Seil gemacht – diesen Kopf hatte sie zwischen die Schulterblätter gezogen, so daß sie einen Buckel machte, als sie in die Bar tappte. Sie hatte die Finger ineinandergeflochten wie beim Beten, vor dem Schoß ineinanderverknotet, und die Finger zitterten, die Frau zitterte am ganzen Körper. (S. 7-10
© 2008 Luftschacht Verlag, Wien.
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