|
 |
|
Tägliches Weckerläuten, mit den Füßen voran in die vorbereiteten Beinkleider, um letzlich in den Schuhen zu landen. Treppen hinunter in den mit im Sommer schwitzenden, im Winter frierenden Leibern überfüllten Bus, eingeklemmt an den Rücken irgendeines Fremden gepresst, dieser Ablauf wiederholte sich dreihundertfünfundsechzigmal im Jahr abzüglich den Wochenenden, Feiertagen, fünf Wochen Urlaub und zu wenigen Krankenstandstagen. (...) Eines Tages, ohne Vorwarnung, lief mir eine vermeintliche Kleinigkeit in die Quere. Ich war zu spät von zu Hause Richtung Bus aufgebrochen, wie üblich steckte ich mir eine Zigarette in den Mund, sobald ich an der Haltestelle angekommen war. Kurz nachdem ich meinen Fuß in das Wageninnere gestellt hatte, den Zweiten nachzog, griff ich automatisch an meine vordere Hosentasche, um die gewohnte Ausbuchtung zu kontrollieren, die mir die Anwesenheit meiner Geldbörse anzeigt. Der Inhalt der ledernen Brieftasche umfasst nicht nur meine Jahreskarte, aber diese garantiert mir eine ruhige Überfuhr nach Überall innerhalb der Stadt. Meine Hand traf direkt auf die natürlich glatte Oberfläche des Oberschenkels. Die einzigen beiden Wörter, die zu mir durchdrangen, transportierten Eindeutiges: Vergessen und Aussteigen. Ich sprang aus dem Wageninneren und flog ganz im Wesen eines Bumerangs einmal hin und zurück. Als ich innerhalb kürzester Zeit erneut an der Bushaltestelle stand, begann ein ungewohntes Gefühl hinter mir herzulaufen, mich einzuholen und sich festzusetzen. (...) Mein Leben wäre komplett anders verlaufen, (...) wenn ich diesen Autobus genommen hätte, der mir von heute an immer zehn Minuten voraus sein wird. (S. 46 f)
© 2005, Czernin Verlag, Wien. Publikation mit freundlicher Genhmigung des Verlags.
|
|
|