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Karoline Naab: Elias Canetti. Leben und Werk

Feature
Sprecher: Elias Canetti, T.W. Adorno, u.v.a.
Regie: Karoline Naab
Produktion: Hessischer Rundfunk 2005
2 CDs
Spielzeit ca. 154 Min.
ISBN 3-89940-621-4
München: Der Hörverlag 2005

Am 25. Juli 2005 hätte Elias Canetti seinen hundertsten Geburtstag gefeiert. Zu diesem Anlass hat Karoline Naab, eine ausgewiesene Kennerin des Nobelpreisträgers (siehe: Naab, "Elias Canettis akustische Poetik", Lang 2003) für den Hessischen Rundfunk ein ausführliches Feature gestaltet.

Canetti hat wie kaum ein anderer vorgezeichnet, wie sein Leben zu lesen ist. Karoline Naab nutzt geschickt die Möglichkeiten des Hörfunk-Features, um die Spannung zwischen der von ihr als Konstrukt verstandenen Autobiographie und dem Blick von außen deutlich zu machen. Im Wechselspiel von gut recherchiertem O-Ton-Material und Kommentar entsteht eine anregende Lebensbeschreibung, die das Rätselhafte im Leben des Romanautors, Dramatikers, Essayisten, Aphoristikers, Philosophen und Privatmannes Canetti nicht weg erklärt, sondern sichtbar macht. Naab folgt damit einem im Nachlass des Schriftstellers aufgefundenen Satz: "Erklärte Leben sind keine gewesen".

Viele Lesungen Elias Canettis wurden aufgezeichnet, so ist es etwa möglich, von ihm selbst zu hören, wie er, der bis dahin Bulgarisch, Englisch, Französisch spricht, mit etwa sieben Jahren innerhalb von drei Monaten von seiner Mutter mit einer Friss-oder-stirb-Methode Deutsch beigebracht bekommt. Es ist diese Sprache, die dem Bulgaren mit türkischem Pass, der in Wien, der Schweiz, England und Deutschland aufwächst, zur Heimat wird. Warum er an dieser Sprache selbst in der Zeit der Hitlerdiktatur festhält, erklärt er in einem Interview mit F. Schöller.

Canettis emphatisch-pathetischer Vortragsstil ist für manchen heute etwas gewöhnungsbedürftig, aber offensichtlich geschult an dem "Götzen, der ein Gott war", Karl Kraus. Karoline Naab erlaubt uns einen Vergleich durch die Montage einer Aufnahme von Karl Kraus' Invektive gegen die Kriegsvoyeure nach dem Ersten Weltkrieg - "Kaffee-Fahrt nach Verdun" (die in das Ausbildungsprogramm jedes Fernsehjournalisten gehörte).

Wir erfahren nicht, warum der Frauenheld Elias Canetti, der sich in seiner Rolle als Hahn im Korb im Internat in Zürich hörbar wohl fühlt, vom eifersüchtigen John Bailey im Buch über seine Frau Iris Murdoch "God-Monster of Hampstead" genannt wird, jedoch einiges über sein Verhältnis zu seiner ersten Frau Vera Taubner-Calderon, die er bei einer Kraus-Lesung kennen lernt.

Die Schwerpunkte des Features liegen neben der äußeren Lebensgeschichte auf der Vorstellung der wichtigsten Werke und deren Rezeptionsgeschichte. Besonders auf die beiden Großwerke "Die Blendung" und "Masse und Macht" wird dabei recht genau eingegangen. Faszinierend darunter ein Gespräch über das letztgenannte Werk aus dem Jahr 1962 zwischen Canetti und Theodor W. Adorno, aus dem man einiges darüber lernen kann, wie man gescheit und kunstvoll aneinander vorbeiredet.

Interessant, gerade aus österreichischer Perspektive, auch die Rezeptionsgeschichte. Elias Canetti wurde im deutschsprachigen Raum erst sehr später mit wirksamer Unterstützung Erich Frieds einem größeren Publikum zugänglich. Doch die Aufnahme des unbarmherzigen Kritikers (Hilde Spiel: "wirkliche Giftspritze") blieb ambivalent. So fühlte sich etwa Thomas Bernhard durch ein Canetti-Drama angegriffen und nennt ihn postwendend in einem Leserbrief an "Die Zeit" einen "skurillen Torschlussphilosophen". 1979 gab es übrigens bei der dritten Vorstellung der "Komödie der Eitelkeit" in Wien einen Theaterskandal.

Karoline Naab hat mit diesem Feature bewiesen, dass durch eine kunstvolle Anordnung von O-Tönen Hörerin und Hörer tatsächlich in die spannende Lage versetzt werden können, mit den Ohren zu schauen. Das Booklet enthält die wichtigsten Lebensdaten, ein Foto Canettis bei einer Lesung, Auflistungen seiner Werke und Preise sowie einen Beitrag des österreichischen Canetti-Spezialisten und Schriftstellers Franz Schuh.

Helmut Sturm
23. Februar 2006

Originalbeitrag

Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

 

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