Leseprobe:
Zwei Wochen vor Beginn des neuen Semesters, direkt nach der großen Besprechung an der Universität und Thiels betrunkener Verwüstung seines Kellers, erhob er sich mit erstaunlich klarem Kopf vom Teppich. Ihm war kaum übel, auch Schwindel verspürte er nicht. Seine Gedanken, seine Handgriffe waren zielgerichtet. Er war hellwach. Die Sonne hatte ihn um sechs Uhr durch das Kellerfenster lugend geweckt, und er war ohne Murren, ohne Zögern aufgesprungen und hatte die Scherben und die Splitter aufgehoben. Er zertrat und zerbrach noch die Ruine des Tisches und füllte damit und mit all den anderen Zeugnissen seines Zerstörungswerkes einen Müllsack, den er im Korridor vor seiner Tür abstellte. Erst danach setzte er sich. Er ließ sich in den Lehnstuhl seines Vaters fallen, des alten Hausmeisters, und erwartete beinahe, Widerworte zu vernehmen, doch der Geist war still. Die anderen hatten die ganze Zeit über nur dagestanden und ihn angesehen, als erwarteten sie einen weiteren, noch vehementeren Wutanfall, um dann in seiner Verzweiflung über ihn zu lachen. Doch Dr. Thiel saß nur da und starrte vor sich hin, auf die Flecken im Teppich und den Papierstapel, den er auf seinem Bett errichtet hatte. Alles nutzloses Zeug. Er hätte es genauso gut so liegen lassen können. Persephones Arbeit, das Einzige von Wert, bewahrte er ohnehin in seinem Geheimfach über dem Kopfende auf. Dort lag sie, schon reichlich abgegriffen und fleckig, zwischen dem Titelblatt und billigem Schnaps hatte eine Spinne ihr Netz gesponnen, und obwohl seine Struktur makellos erschien, hatte sich nicht eine Mücke in dem Kunstwerk verfangen.
(S. 70)
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