Leseprobe:
Viele Lebensbahnen taugen für keinen, auf eine davon war Jackl geraten, mit dem Zufall seiner Geburt, der zugleich Über- und Einfall war. Nie kracht ein Kind so schlimm in die Welt, wie – ach, Unstern – die Welt ins Kind. Für die Eltern gibts immerhin Blicke: langsame in mondkälbischem Ernst, flink-kokette mit Widerhaken, stolze, bittende, scheue und treue, unbemerkte und unverschämte, täuschend helle, enttäuschte in Grau, heitere, lachende, hoffnungslose, fragende, eifersüchtige, sanfte … kurzum: solche, die Küsse nachziehn, auch Umarmungen, Schläge – mal Zwang, mal zwei Goldringe, einen Vertrag, Lügen wie Schwüre, hoppauf, hoppab, bis kopfüber ein Menschlein schlüpft. Nur das Menschlein hat keine Wahl: atmet ein, und ist schon verstrickt.
Vorher gibts natürlich auch Ärzte, heute, morgen, in jeder Stadt. Weiße Kittel, gediegene Schreibtische, Liegesessel mit Beinebreit, Gummihandschuhe, Ultraschall, Stethoskop, Stirnrunzeln, Zureden, Nicken. Und falls nur eine Sehnsucht wächst, eine, die das Denken umschlingt, täglich feiner und strenger durchdringt, die Gedanken mit Dornen spickt, bis du glaubst, ein Plankind muss her – gibt es zu den Ärzten Labors, Agenturen für Mütterverleih, 1A-Premiumspermien-Archive, Nicken, Nicken, noch mehr Verträge, Haftungen, Kleingedrucktes und Zahlen, Zahlen, die sich hoppab, hoppauf von einem Konto zum anderen schwingen.
Allerdings, die Sache ist die: Derlei Zahlensport, meine Lieben, muss hier gleich wieder vor die Tür. Und vergesst auch die Ärzte; dort, wo die Geschichte beginnt, half kein einziger weit und breit. Wischt euch das aseptische Weiß, die Erinnerung an Wartezimmer, Klinikflure, Geburtstabellen, kurz, ein Stück Gegenwart aus dem Kopf! Angefangen beim Ultraschall, denn: Auch das Jahr, als Signor Spallanzani niedliche Glöckchen an Drähten befestigt und diese an die Labordecke nagelt, liegt in der Zukunft, paar Leben von hier. […]
© Wien: Klever Verlag 2018.