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Mario Wurmitzer: Im Inneren des Klaviers.

Roman.
Wien: °luftschacht, 2018.
176 Seiten; geb.; 20 Euro.
ISBN: 978-3-903081-21-5.

Autor

Leseprobe

"Der Baron auf den Bäumen", einer der bekannten Romane von Italo Calvino, verhandelt u.a. die Stellung des Intellektuellen in der Gesellschaft. Der Plot spielt im späten 18. Jahrhundert und der vor-pubertäre Baron-Sprössling trotzt dem Gehorsam seiner Frau Mama und flüchtet auf den nahestehenden Baum im Garten. Was zunächst aus kindlichem Trotz entsteht, entwickelt sich zu einer Lebenseinstellung. Denn von da an lebt und liebt er auf den Bäumen, beobachtet die Gesellschaft aus der Distanz, kommentiert sie, kritisiert sie – manifestiert seinen Sonderstatus. Die perfekte Allegorie auf die Erfahrung der opponierenden Intellektuellen und Künstler von der Zeit des Faschismus bis in die Nachkriegszeit Italiens; vom Antifaschisten und Idealisten zum gebrochenen Desillusionisten und Pessimisten.

Nun ist im luftschacht Verlag, der heuer sein 15jähriges Jubiläum feiert, ein ähnliches Buch erschienen: "Im Inneren des Klaviers" von Mario Wurmitzer. Der im Jahr 1992 geborene Mistelbacher (Niederösterrreich) ist seit seiner Jugend ein umtriebiger Schreiber: Er hat Auszeichnungen bei unterschiedlichen Literaturwettbewerben erhalten und bereits im Jahr 2010 seinen Jugendroman "Sechzehn" im Treibgut Verlag veröffentlicht. Der in Wien lebende Schriftsteller ist nicht nur in der Prosa bewandert, sondern schreibt ebenso preisgekrönte Dramen, die ihre Uraufführungen bei verschiedenen Festivals gesehen haben.

Doch zurück zum Roman "Im Inneren des Klaviers". Wir befinden uns in einer phantastischen Welt, die zunächst mittelalterlich anmutet: So begegnen uns Burgen, Könige, Ritter. Doch existieren auch anachronistische Elemente, etwa Klavier, Saxophon und Wundpflaster.
Der namenlose Ich-Erzähler und Künstler, der vor der engstirnigen Dorfbevölkerung geflohen ist und sich im Wald versteckt, trifft eines Tages auf Nelly, die Tochter des Königs. Doch sie verschweigt ihm zunächst ihre Herkunft. Sie ist nämlich vor dem König und Vater geflohen und möchte sich den Partisanen anschließen, die sich in den Wäldern aufhalten sollen. Allerdings hat der Künstler die vermeintlichen Partisanen nie gesehen. Als ihr gemeinsames Wald-Versteck nicht mehr sicher ist, fliehen sie ins Nachbarreich, in die Hafenstadt Port Robinson. Da diese inzwischen ein Vasallenreich des Vaters von Nelly ist, werden unsere zwei Helden beim Eintritt in die Stadt festgenommen. Der Kommissar hat Nelly als Königstochter erkannt. Sie wird abgeführt und gefoltert, während der Ich-Erzähler leugnet, Nelly je gekannt zu haben. Verrat oder Selbstschutz?
Der Ich-Erzähler wird nach dem Verhör in die Stadt entlassen und betritt ein Gasthaus, wo Rebellen verschwörerische Versammlungen abhalten. Der Künstler schildert dem Rebellenanführer Max, dass Nelly festgenommen sei. Dabei wird schnell klar, dass Max der Sohn des Kommissars ist, er prophezeit, dass Nelly bald frei sein werde. Gesagt, getan. Nicht nur sie – die ganze Stadt wird kurzerhand von den Rebellen befreit. Das Ironische: Der Ich-Erzähler und Nelly machen bei dem Aufstand nicht mit, wie sie dies versprochen haben, und fliehen Richtung Berge. Allerdings werden sie kurz darauf von Max und dessen Rebellionsfreunden aufgefunden und zurück in die Stadt verschleppt. Denn der neue Herrscher Max braucht Nelly, um den König zu erpressen. Dabei kommt es zu weiteren absurd-skurillen Entscheidungen …

Trotz des märchenhaft-anmutenden Plots erinnert der Text auch an einen Schelmenroman. Wir begleiten dem naiven, sich im Laufe der Handlung nicht weiterentwickelnden Erzähler auf seiner Flucht und begegnen mit ihm kriegerischen Auseinandersetzungen, Gewalt, Missgunst und Verrat. Dies verstärkt sich durch Übertreibungen, Absurditäten und surreale Elemente.
Apropos Absurditäten: Der König und Vater von Nelly hat in seinem Reich die Éducation sentimentale eingeführt: Als Vorbild gelten die Romane der britischen "Liebesschmonzetten"-Schriftstellerin Rosamunde Pilcher. Billiger Kalauer? Oder doch ein humorvoller Einfall, mit dem sich Wurmitzer in beste parodistische Tradition stellt, beispielsweise eines Henry Fielding, der Samuel Richardsons sentimentale Romane, etwa "Pamela", aufs Korn nimmt?
Oder muss man Wurmitzers Text insgesamt als Parabel lesen, wie es der Verlag vorschlägt? Ein skeptisches "vielleicht". Denn die spannendere Frage ist: Eine Parabel worauf? Soll dieser Text eine Parabel etwa auf die neue rechtsgerichtete österreichische Regierung und den allgemeinen Rechtsruck in Österreich darstellen? Wohl kaum. Aber vielleicht hat Wurmitzer eine Parabel auf die Stellung und das Verhalten des Intellektuellen und Künstlers in gesellschaftlichen Umbruchzeiten geschrieben. Während im eingangs erwähnten lesenswerten Calvino-Roman der Intellektuelle Position bezieht, scheint es, dass "Im Inneren des Klaviers" der Künstler bzw. Intellektuelle sich aus der Verantwortung stiehlt. Letztlich eine Parabel auf die unpolitischen, mutlosen Künstler seiner Generation?

Von Angelo Algieri
22. August 2018

Originalbeitrag.
Für die Rezensionen sind die jeweiligen VerfasserInnen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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