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Teresa Präauer: Das Glück ist eine Bohne und andere Geschichten.

Göttingen: Wallstein, 2021.
312 Seiten; geb.; Euro 24,70.
ISBN 978-3-8353-3948-4.

Teresa Präauer

Leseprobe

Es gab einmal eine Zeit, in der es selbst für "verstreute Texte" ein eigenes Genre gab. Gelegenheitstexte hieß, nicht ganz frei von Herablassung, dieses, weil es eben nicht in die Königsdisziplin erzählender Prosa, den Roman, fiel und auch nicht in die Rubrik Essay, die immer noch von Michel de Montaigne geadelt wird. In der Lyrik lautete das Verdikt, gemünzt auf Joachim Ringelnatz beispielsweise oder Erich Kästner oder Mascha Kaléko, dabei gänzlich die Schwere der Leichtigkeit ignorierend, noch anmaßender: "Gelegenheitsgedichte". Als würden Poeme einfach so zu bestimmten Okkasionen, im Vorübergehen oder einfach Dasein entstehen. Betrachtungen, Essays, Aufsätze, Kurztexte, 75 an der Zahl, hat nun die in Wien lebende Autorin und bildende Künstlerin Teresa Präauer in "Das Glück ist eine Bohne und andere Geschichten" versammelt.

Acht Jahre umfassen die Geschichten, die ältesten "Gelegenheitstexte" datieren aus dem Dezember 2013, die jüngsten aus dem Frühsommer 2020. Diese Prosa erschien teils in Tageszeitungen und Literaturmagazinen, in den "Salzburger Nachrichten", für die Präauer eine regelmäßige Kolumne verfasst hat, in der "Neuen Rundschau" des S. Fischer Verlags, in den "Akzenten" des Carl Hanser Verlags, in "Sprache im technischen Zeitalter", in den "horen" und in "Volltext" – auch hier ist Präauer eine regelmäßige Beiträgerin – ebenso auf "Zeit Online". Auch Radiominiaturen sind darunter, ausgestrahlt auf Ö 1. Einige der Publikationsorte sind nicht ganz leicht auffindbar, zum Beispiel Ausstellungskataloge, das Dorotheum myArt Magazine oder der Begleitband des Austrian Cultural Forum zur London Fashion Week, die inzwischen inaktive Online-Dokumentation des Stipendium Esslinger Bahnwärter, das Theatermagazin des Linzer Landestheaters oder das CD-Booklet einer Einspielung von Arvo Pärt-Kompositionen durch die Wiltener Sängerknaben. Vielleicht der obskurste Fundort ist bei "Am Fluss" von 2017 aufgelistet, da heißt es lakonisch lediglich: "Geschrieben für ein privates Fotobuch von Anton Kiefer". Alle Beiträge sind, so verheißt es die editorische Schlussbemerkung, durchgesehen und überarbeitet worden. Zudem gibt es ein halbes Dutzend bisher unveröffentlichter Texte.

Selbstredend ist angesichts dieser "Auftragsarbeiten", dieser durch externe Anlässe verfassten Texte der Fokus weit. Der Bogen reicht von Kunst ­– lange bevor Teresa Präauer mit ihrem Debütroman "Für den Herrscher aus Übersee" ihren literarischen Durchbruch hatte, stellte sie selbst ihre Kunst aus – bis zu Kim Kardashians das Internet "sprengender" derrière-Aufnahme, von T-Shirt-Prints bis zu Erinnerungs-Vignetten, vom Benutzen öffentlicher Leihbibliotheken bis zum Stand des Theaters oder zu Reflexionen über Gebrauchsgrafik ("Die ewige Liebe zum Vergänglichen"), von Film zu Frohsinn und Gibraltar, von Grabreliefs aus dem vom syrischen Bürgerkrieg verwüsteten Palmyra bis zu "Jugend und Pose", so der Titel ihrer Rede zur Verleihung des Erich-Fried-Preises im Jahr 2017. Es geht um Könige im Schnee und ein Raumschiff namens Poetry, Dichtung. Um Superhits aus Italien und Tulpenmanie. Der Kauf eines Hochzeitskleids, der Erwerb eines neuen Kühlschranks durch eine Freundin oder auch eine Schachtel mit Andachtsbildern, all das können Auslöser, Motive, Erzählobjekte sein.
Das Besondere: Der 42-jährigen Teresa Präauer fehlt es an jeglichem Zynismus, nicht einmal ein Hauch Sarkasmus, auch nicht in annäherungsweise zärtlicher Form, lässt sich finden. Ebenso vergeblich sucht man Schulmeisterliches oder exaltiert Gelehrtes. So ist die Schreib- und Denkbewegung eine angenehm sympathische, wenn nicht gar empathische. Auch in den essayistischen Beiträgen folgt man gern ihren Gedanken. Ihre Prosa ist plastisch und konkret, dabei klug, einige Male gibt sie Dingen, die keine Sprache haben, eigene Worte, lässt sie lebendig werden.

Und was hat es nun mit der im Titel aufscheinenden Glücksbohne auf sich und mit dem Glück als Bohne? In diesem Aufsatz, geschrieben im Frühjahr 2020, bekommt Präauer von einem Freund eine Bohne als Geschenk, dunkelbraun, fast schwarz, es sei, so die begleitenden amikalen Worte, eine "Glücksbohne". Sie würde den Kummer lindern, der sie aktuell plage, so steckte sie also die Bohne ein, trug sie im Portemonnaie mit sich herum. Nach ein paar Tagen sah sie, als sie die Bohne gründlicher inspizierte, es war gar keine Bohne, es war ein Stein, ein matter, abgerundeter, sehr dunkler. Nun setzte sie, halb im ernsten Scherz, halb im leichten Ernst, die steinerne Bohne ein, am Postamt, als ironische Zahlungswährung, und erntete hier ein Lächeln, dort einen Gesprächsbeginn, kleine Funken von Glück. Bald hatte die Steinbohne Präauer das beschert, was sie sich für ein gutes Jahr gewünscht hatte, Abendessen mit Freunden, Konzerterlebnisse, Nachmittage in Bibliotheken, guten Kaffee, lange Spaziergänge, Angebote, gar Liebe.
Dann aber, schreibt sie, dann "aber kam diese ganze leidige Sache mit dem Virus, plötzlich war alles, was gerade noch so schön gewesen war, verboten, und ich sagte mir, ich behalte die Bohne besser doch noch ein wenig bei mir in der Tasche. Sicher ist sicher. Was noch übrig geblieben war auf meiner Liste vom möglichen Glück, waren die langen Spaziergänge. Ich habe dabei, aus Mangel an Attraktionen, regelmäßig die Anzahl meiner Schritte gemessen. Pro Tag waren das oft zehntausend. Das sind in etwa acht Kilometer durch die Stadt, von einem ruhigen Bezirk zum nächsten, von einem stillen Platz zum nächsten, von einer leeren Straße zur nächsten. Wenn man weit genug geht, dachte ich dann, kommt man irgendwann an den Strand. Und dort einmal angekommen, muss man gar nicht mehr knausrig sein. Denn die Glücksbohnen liegen ja wie Steine am Ufer, man muss sie nur finden und sie in die eigene Hosentasche stecken." – Und dieses Buch dazu, zwar nicht in die Hosentasche, aber in die Umhängetasche, in den Airpaq, die Messenger Bag ...

Alexander Kluy
08. 03. 2021


Originalbeitrag.
Für die Rezensionen sind die jeweiligen VerfasserInnen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

 

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