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Eva Schmidt: Die Welt gegenüber.

Erzählungen.
Salzburg und Wien: Jung und Jung Verlag, 2021.
218 Seiten; geb.; 22,00 Euro.
ISBN: 978-3-99027-250-3.

Eva Schmidt

Leseprobe

Literaturkundige können den Autor, die Autorin oft anhand kurzer Passagen erkennen. Das mag vor allem dann überraschen, wenn die Sprache so nüchtern, schlank und entschlackt ist wie bei Eva Schmidt. Doch genau darin zeigt sich ihr Stil: kurze Sätze, in denen ein jedes Wort sitzt. Das Schopenhauersche Diktum, "gebrauche gewöhnliche Worte und sage ungewöhnliche Dinge" hat sie wie kaum jemand sonst verinnerlicht; kleine Abweichungen und unerwartete Wendungen erzeugen die stille Kraft ihrer Texte.

Dieses Vermögen kommt ganz besonders im jüngsten Band der Autorin zum Tragen. Ein Dutzend Erzählungen sind darin versammelt – im Grunde einfache Geschichten, die aber immer irgendwie überraschen. Zwischenmenschliche Szenen allesamt, die sich mitunter wortkarg gestalten oder überhaupt nur das Innere einer Figur fokussieren. "Es waren nicht viel mehr als Andeutungen von Leben, kleine Ausschnitte von Alltäglichem, zusammengesetzt aus kurzen Auftritten und spärlichen Gesten mir vollkommen fremder Menschen, die meine Aufmerksamkeit auf sich zogen", heißt es an einer Stelle gleich zu Beginn dieses Buchs, die wohl programmatisch für alle Erzählungen steht. Manche der Menschen umgibt ein Geheimnis, bisweilen tun sich auch Abgründe auf. Gefühlsmäßige Regungen sind sehr genau gesehen, mit psychologischer Schärfe zeichnet Schmidt die Gedankengänge und die Beweggründe der Handelnden nach.

Immer jedoch bleibt etwas ausgespart, immer bewahren die Texte eine latente Spannung. Beim Lesen ist einem kaum je von Anfang an klar, wem die Sympathie gelten soll, eindeutig "Gute" und "Böse" gibt es hier nicht. Manche Figuren erscheinen einem suspekt – ist der Mann, der einen kleinen Jungen zu einer einsamen Almhütte mitnimmt, nicht doch ein Pädophiler? Bald aber beginnen solche unterbewussten Zuordnungen zu oszillieren. Durch minimale Perspektivwechsel erscheint eine dubiose Gestalt plötzlich in anderem Licht, nach einer erzähltechnischen Wendung entpuppt sich ein schweigsamer Sonderling als warmherziger Mensch, wie der frühere Schauspieler Falk in "Vielleicht nach Skagen", der wohl berührendsten Erzählung im Band.

Teils begegnen Fremde einander, teils werden innerfamiliäre Spannungen oder Beziehungskonflikte virulent. Häuser spielen dabei stets eine Rolle (neben Hunden ein Leitmotiv im Werk Eva Schmidts), und sei es ein Wohnwagen am Campingplatz. Auch Autos können als mobile Refugien dienen, als Vehikel, die immerhin kurze Ausbrüche möglich machen. Mitunter findet die Flucht aus dem Alltag nur in Gedanken statt, doch allein die Vorstellung eines anderen Lebens oder der geheime Rückzug auf Zeit scheint manchen unendlich befreiend.

Das Kreisen um solch' allzu menschliche Gefühle lässt die Erzählungen recht zeitlos erscheinen. Bloß einige punktuell erwähnte WhatsApp-Nachrichten und Netflix-Filme binden das Geschehen ans Hier und Jetzt. Ihrer emotionalen Eindringlichkeit wegen wirken die meisten Geschichten lange nach, die sprachliche Prägnanz tut dazu das Ihre. Erntete schon Schmidts episodenhaft angelegter Roman Ein langes Jahr (2016) ob seiner Struktur einiges Lob, so zeigt sich an ihrem jüngsten Band neuerlich, dass die Form der kurzen Erzählung das Potenzial dieser Autorin wohl am besten zur Entfaltung bringt.

Ulrike Matzer, 04. 06. 2021

Originalbeitrag.
Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser/innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

 

 

 

 

 

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