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Waltraud Haas: Mit der Axt in der Hand.

Lyrik und Prosa.
Wien: Klever Verlag, 2021.
182 S.; Hardcover; Euro 20,-.
ISBN 978-3-903110-72-4.

Waltraud Haas

Leseprobe

Wenn eine Schriftstellerin zu ihrem 70. Geburtstag einen Band mit feuerrotem Cover veröffentlicht, der den Titel Mit der Axt in der Hand trägt, dann zerschlägt sie damit gekonnt sämtliche Klischees, die von einer Grand Dame der Literatur vielleicht existieren könnten. Die neue Textsammlung von Waltraud Haas, die soeben im Klever Verlag erschienen ist, vereint neben aktuellen Gedichten und Prosaminiaturen auch Texte aus den 1980er Jahren und gibt somit einen guten Überblick über das Schaffen der Niederösterreicherin.

Die große Stärke von Waltraud Haas ist die Kunst der Präzision, der Reduktion auf das Wesentliche. Ihre Gedichte kommen meist mit wenigen Zeilen aus, oft sind es nur drei oder vier. Im ersten Teil des Bandes ist Lyrik aus den Jahren 2018 bis 2021 versammelt, die den Alltag und aktuelle Geschehnisse isoliert wie unter der Lupe betrachtet und in einen größeren, oft philosophischen Zusammenhang stellt. Die pointiert formulierten Texte erinnern mitunter an Aphorismen, wie etwa folgendes Gedicht:

die stille wird // immer lauter werden / hinter eurem gebrüll

In einer Zeit der erhitzten und emotional aufgeladenen Debatten treffen diese Worte sofort emotional ins Schwarze, ohne dabei eine bestimmte Diskussion, einen konkreten Konflikt explizit benennen zu müssen. Haas geht es nicht um die aktuelle, anlassbezogene Botschaft, sondern um das größere Ganze: Was geschieht, wenn laut gebrüllt wird – egal, aus welchem Grund? Welches Trümmerfeld hinterlässt ein Konflikt, ganz unabhängig davon, wer recht oder unrecht hat, egal ob privat oder politisch?

Wiederkehrende Motive der Gedichte sind die Katze Muriel, ein weißer Engel, blaßblaue [sic] Augen, der Tod, die schwierige Kindheit. Allgegenwärtig ist die unstillbare Sehnsucht, die sich auf verlorengegangene Personen bezieht. Verstorbene Freunde und Familienmitglieder werden evoziert, mit manchen ist noch eine Rechnung offen, andere werden schmerzlich vermisst. Immer wieder schreibt Haas über die Liebe. Nicht nur Beziehungen werden reflektiert, sondern auch die Mechanismen der Sehnsucht, und die Worte vermitteln eine dezente Körperlichkeit ebenso wie treffsichere psychologische Einsichten:

die stelle / an der ich stand / als ich mich verlassen habe / um dich zu lieben / ist nicht mehr zu finden

Der zweite Teil des Bandes enthält kurze Prosastücke der Autorin, die ebenfalls zwischen 2018 und 2021 entstanden sind. Auch hier tritt die für Haas typische Kunst der Verknappung zutage: Ihre Miniaturen sind oft nicht einmal eine halbe Seite lang und scheinen damit die Grenze zur Lyrik fast zu überschreiten. Meist ist es Aufgabe des Lesers, sich anhand der Hinweise und Leerstellen im Text die konkrete Szene zusammenzureimen: Wer spricht hier, wo ist diese Person, was passiert genau? Inhaltlich handelt es sich überwiegend um pointiert erzählte Ausschnitte aus dem Alltag. Haas beschreibt die eskapistische Lust am Shopping, schildert bizarre Beobachtungen im Café und in der Einkaufsstraße, eine Reise mit verhindertem Handtaschendiebstahl, aber auch schwere Themen wie Krankheit und ambivalente Gefühle in Hinblick auf den Tod. Manchmal würde man sich wünschen, die Texte wären länger, die einzelnen Szenen etwas mehr ausgestaltet, mit Details angereichert und in den Dienst einer größeren Geschichte gestellt worden. Wie aus dem Inhaltsverzeichnis hervorgeht, ist die Anordnung der Texte chronologisch nach ihrem Entstehen erfolgt; es ist also kein übergeordneter Zusammenhang zu vermuten. Dies unterstreicht den Eindruck, man würde heimlich durch das Notizbuch der Autorin blättern und hätte die verheißungsvollen Vorarbeiten zu einem Roman vor sich. An manchen Stellen hätte man gern weitergelesen, mehr gelesen.

Die Prosa aus den 1980er Jahren, die wie eine Zugabe angefügt ist, offenbart sich im Vergleich zu den neueren Texten als direkter in ihrer politischen und sozialkritischen Aussage. Vor allem Schicksale von Frauen werden in diesen frühen Arbeiten gekonnt und schmerzhaft auf den Punkt gebracht. Deutlich tritt hier die Theaterautorin zutage: Unkonventionell, oft wie als Monolog für eine Bühne geschrieben, erzählen die Prosastücke von toxischen Beziehungen, die meist von physischer und/oder psychologischer Gewalt geprägt sind oder unter den sozialpolitischen Umständen ihrer Zeit leiden.

Mit der Axt in der Hand präsentiert sich auf den ersten Blick als schnelle Lektüre, bei der sich allerdings ein Zurückblättern und Noch-einmal-Lesen an vielen Stellen lohnt. Die Axt aus dem Titel ist freilich nicht wörtlich zu verstehen, sondern bezieht sich auf die Tätigkeit des Schreibens: Ein Prosastück des Bandes handelt davon, dass der Autorin (real oder im Traum?) gesagt wird, sie schreibe nicht mit einer Feder, sondern schwinge eine Axt in ihrer Hand. Dass Haas diesen etwas groben Vergleich in den Buchtitel aufgenommen hat, zeugt von einer sympathischen Selbstironie, die sich auch durch die Texte zieht.

Rezension von Daniela Chana, 20. 09. 2021

Originalbeitrag.
Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser/innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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