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Clemens Bruno Gatzmaga: Jacob träumt nicht mehr.

Düsseldorf: Karl Rauch Verlag, 2021.
176 Seiten, gebunden, EUR 20,60 (A).
ISBN 978-3-7920-0265-0.

Clemens Bruno Gatzmaga

Leseprobe

Jacob ist Millennial und befindet sich als junger Teamleiter in einer IT-Consulting-Agentur nahe am Burnout. Davon abgesehen scheint seine Welt perfekt. Als junger Aufsteiger hat er sich in die hippe Klasse der Youngsters und Nerds der digitalen Creative Industries hineingearbeitet, die sich auch von der Arbeitsweit des (noch) elektronischen Zeitalters unterscheidet. Irgendwie geht es wieder um die Menschen, nicht nur um die Maschinen. Amicalität, mit wem man auch spricht. Freundlichkeit und ganzheitliches Wohlbefinden werden gelehrt und man meint es auch so. Chefs sind Kumpanen, legen ernsthaften Wert auf Work-Life-Balance, und wer sich trotzdem für die Arbeit aufreibt, mag aufsteigen. Die Mitarbeiter/innen sind loyal, arbeiten gern und identifizieren sich mit dem, was sie tun, und für wen sie es tun. Soziale Kompetenz wird gegen den Alpha-Mythos ausgespielt, nicht einfach als geschlechterbezogene Eigenschaft, sondern als Intelligenzform. Die Konkurrenz kennt sich, böses Blut und Intrigen sind unerwünscht, im Wettbewerb gibt man sich spielerisch. Trotzdem verändert sein Job Jacobs Leben, als er und sein Team sich in der Entwicklung eines Bots für E-Banking verausgaben, nach der Präsentation sich jedoch ein Vorab-Deal des Kunden mit dem wichtigsten Mitbewerber herausstellt. Die Ausschreibung entpuppt sich als postfaktischer Auftrag. Jacob nimmt es sich zu Herzen. Er hatte für den Auftrag seinen Urlaub verschoben und hat nun ein Belastungssyndrom entwickelt. Zur Präsentation ist er krank geflogen.

Nach einem Zusammenbruch findet er sich im Krankenhaus wieder und kündigt. Um auszuspannen, begibt er sich auf eine Reise in seine total-analoge Vergangenheit – ins Heimatdorf zu seiner Großmutter, wo nicht einmal das W-Lan richtig funktioniert. Der Yuppie hofft, sich im Dorfteich, in Gesprächen mit alten Bekannten aus dem bäuerlichen Umfeld und im unergründlichen Wald zu erholen. Insbesondere hofft er wieder zu träumen. Denn seine Nachtträume vermisst er schon seit langem, während er sich hin und wieder in schicksalsweisende Tagträume verfängt.

Nachdem Jacob sich vom Lebenszweck, der Menschheit durch die Entwicklung digitaler Tools zu helfen, verabschiedet hat, überkommt ihn aber auch die reale Welt auf unheilvolle Weise. Als Leser/in weiß man nicht so recht, wie dies zu bewerten ist. Am ehesten als Indiz und Bestätigung, wer in Zukunft das Sagen über den Menschen haben wird: die Natur oder das Künstliche? "Digitalfatalismus" nennt Matthias Horx ein Zukunftsphänomen, das er dem "Digitalfanatismus" entgegenhält. Und als "Postdigitales Zeitalter" bezeichnet er wenn auch nicht das Ende der digitalen Nutzungen, so doch das Ende des Totalitätsanspruchs der Digitalität.

In "Jacob träumt nicht mehr" bahnt sich das Unterbewusstsein darüber seinen Weg: Die Angst, das Träumen verlernt zu haben, mag ein Symptom sein. Die Sprache des Autors mag ihren Beitrag dazu leisten. Die Szenen in den Bürogebäuden sind detailreich und eloquent geschildert. Gatzmaga bedient sich des Vokabulars der Generation-Y-Protagonist/inn/en. Die Sprache der Dorf- und Naturbeschreibung driftet zuweilen ab ins Poetische. Das scheint keine Masche zu sein; vielleicht lässt sich über Programmierung und Arbeitswelt fantastisch schreiben. Aber auch poetisch? Vielleicht liegt die inhomogene Sprache auch an den internalisierten Sprechweisen in unterschiedlichen Milieus. In jedem der beiden Fälle vermischt sich die Perspektive des Autors mit dem Befinden des Protagonisten. Das tut der spannenden Prosa einen kleinen Abbruch.

Marietta Böning, 11. 10. 2021

Originalbeitrag.
Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser/innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

 

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