Ob die Ermittlungen im Fall des toten Junkies denn wirklich so dringend wären, fragte Bergmann schließlich vorsichtig. Schäfer warf ihm einen bösen Blick zu, konnte aber im Augenblick nichts erwidern. Er wusste ja selbst nicht genau, warum er sich die Aufklärung dieses Todesfalls versprochen hatte. Vielleicht brauchte er sie als persönliches Geländer, an dem er sich eine Zeitlang festhalten konnte, ohne dass ihm jemand dreinpfuschte. Vielleicht tat ihm der Tote wirklich leid. Vielleicht war es aber auch nur eine Trotzreaktion auf die Vorgaben aus dem Innenministerium. Um fünf vor zehn machte sich Schäfer auf zu seinem Termin mit dem Oberst. Als er dessen Büro betrat, stand Kamp mit dem Rücken zu Schäfer und schaute durch die Glasfront auf die Stadt hinaus.
"Ich hatte gestern das Vergnügen, mit dem Polizeipräsidenten und dem Innenminister zu Abend zu essen", begann er das Gespräch.
"Und? Hat wenigstens das Essen geschmeckt?"
Kamp drehte sich um und sah Schäfer durchdringend an.
"Hirschrücken...war ganz in Ordnung." Er setzte sich hinter seinen Schreibtisch, deutete Schäfer, Platz zu nehmen, schaute an die Decke und seufzte.
"Es geht um die Statistik", sagte er schließlich und sah Schäfer in die Augen.
"Zahlen...nicht schon wieder."
"Doch, schon wieder...die Reform, das 'Jahrhundertprojekt', wie Minister Stöger meint, zeigt nicht den Erfolg, den er sich erwartet hat."
"Na ja...Hitler war mit dem Zweiten Weltkrieg schlussendlich auch nicht ganz zufrieden."
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© 2010 Haymon Verlag, Innsbruck-Wien.