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Judith Nika Pfeifer: zwischen.


Leseprobe aus "ZWISCHENFALL"

Wenn einer, ihr Vater, sie auf die Schultern nimmt, wenn sie merkt, dass der Himmel näher kommt, und wenn sie den Schaulustigen den Schrecken ersparen will, so ist es Zeit für sie, umzukehren, vorerst stillzuhalten, sacht, ihr Gewicht auszutarieren, fein, lautlos, etwa so wie Libellenhubschrauber schweben, wenn abends die Sonne über eine Ecke des Wassers glitzert, still, so, dass es der Vater, auf dessen Schultern sie sitzt, gar nicht merkt – und schnell!

So kommen die Särge in Gang: Rewind

10
Und mit einem Mal wird der Trauerzug nicht mehr wissen, wo das Ende ist. Und ehe es noch begonnen hat, fallen die Blumen aus ihrem Grab zurück in die Hände der Menschen, winkt einer den Friedhofsmännern zu, und weil sie es nicht wissen, holen sie zuerst ihren Sarg zurück und nun den vom Vater, wandern die Kränze von Hand zu Hand zurück auf den kleinen Transportwagen, räuspert der Pfarrer gegen ein unsichtbares Staubkörnchen in der Kehle an, krächzen die Krähen, es gibt nichts zu sehen, und also macht ihre Mutter die rotgeweinten Augen zu, schickt das hundertundzweite Gebet, damit sie leben kann und weist den Arm ab, der sie stützen will. Na so was.

9
Das Grab ist offen und leer, und schon bald wird es kein Grab mehr sein. Da hört sie den Pfarrer schon reden, von Erde zu Erde zu Asche und Staub zu Erde. Seine Worte verhallen, und die Blätter, so ein helles Klingen, Rauschen, Brausen, Sausen, Ja, bald schon wird es kein Grab mehr sein, so wie der Totengräber es zuschaufelt, sich in einer kurzen Zigarettenpause am Kopf kratzt – das hat es noch nicht gegeben – nun noch das Gras darauf tut, als ob hier nie etwas gewesen wäre. Und nichts ist darin: ist bloß Wiese, Erde mit Gras obenauf. Der Tod selbst verhüllt die Toten. Und der Krieg ist noch nicht weit weg. Da sind die Friedhöfe voll mit Menschen, ohne die die Welt nicht leben kann. Wer will die Übriggebliebenen schon fragen, wohin mit all der Trauer, der Wut, der Ohnmacht, so ratlos. Und warum ist nicht alles schon verschwunden an diesem Samstag im Juli, einem dreiundzwanzigsten, oder ist es dabei, zu verschwinden: die Menschen, die Dinge, die Welt, wie sie wohl in ihrer Abwesenheit aussieht und ob es sie dann überhaupt gibt?
Doch da ist der Trauerzug schon in Bewegung gekommen, Zehntausende sind es, die sich bekreuzigend den Weg vom Grab zur Kirche dicht gedrängt säumen. Da ruckelt und zuckelt der Wagen mit den beiden Särgen rückwärts und flink, flink liegen sie auch bereits in der Kirche, in einem Meer von Lichtern und Blumen. Da hat ein Lastwagen die Kränze geladen, denn es sind so viele, dass kein anderes Gefährt sie tragen kann. Da stehen und sitzen sie, die Menschen, schluchzend, teilnahmsvoll. Hoffnung ist schutzlos, damit sie beschützt wird.

8.6
Das Unglück ist passiert, ein Passant, beiläufig wie all die anderen Katastrophen eines 17. Juli. Hätte ihr vor sechs Tagen jemand gesagt, das Seil würde beben, wäre sie auf die Schultern geklettert? Und hätte am 17. Juli die Erde gebebt, wie damals in Irpinia im Süden Italiens, hätte dann auch das Seil gezittert? Hätte es so gezittert, dass es ihr Zittern ausgeglichen hätte? Da stirbt eine Billie Holiday an einem 17. Juli und ein John Coltrane und tausend weitere, deren Namen sogleich verpuffen, verwaschen, weitergetragen, weitergegeben werden, in immer anderen Kombinationen. (...)

(Seite 7-9)

© 2014 Czernin Verlag, Wien

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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