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Franz Schuh: Sämtliche Leidenschaften.

Wien: Zsolnay Verlag, 2014.
223 Seiten; gebunden; Euro 19,90
ISBN: 9783552056947.

Autor

Leseprobe

Autodiegetisches Erzählen par excellence

Es ist ein Wagnis das Buch „Sämtliche Leidenschaften“ von Franz Schuh zu besprechen, wenn doch darin einige Kritiker und deren Rezensionen zum Gegenstand der Betrachtung werden. Oder stellt es gar eine Einladung für den unter drängender Eitelkeit leidenden Kritiker dar, einen besonders ausgetüftelten Verriss zu formulieren, um wartend mit zitternden Knien auf das nächste Buch von Schuh und eine Erwähnung darin zu hoffen?

Die Frage nach der Fiktion stellt sich erst gar nicht, wenn der Erzähler Franz Schuh in dem Roman von Franz Schuh sich durch die Kulturgeschichte hantelt und anhand dieser sein Lebensmalheur ausgestaltet; es ist ein autodiegetisches Erzählen par excellence, das jede Form der Trennung von Autor und Erzähler aufhebt. Das Buch verzichtet deshalb aus gutem Grund auf eine Zuordnung zu einer Gattung. Weder ist es ein Roman, noch ein Essay, noch ein Tagebuch, noch eine Abhandlung. Es ist vielmehr von allem etwas und es bedient sich des mäandernden Assoziierens, um die Begebenheiten der Welt in jenen ironisch-beklagenswerten Kontext zu setzen, die sie verdienen. Für mich als Autor dieses Textes stellt sich jedoch eine ungewöhnliche Herausforderung, denn schließlich habe ich ein Buch mit dem Titel „Bis dass der Tod uns meidet“ geschrieben, welches als erstaunlich deckungsgleich mit jenem von Franz Schuh bezeichnet werden könnte, wären nicht alle Wörter anders …
In beiden Büchern spielt der lebenslange Kampf mit dem Tod eine tragende, vielleicht die einzige Rolle, wäre nicht auch noch Eros vorhanden und würde er nicht gegen diesen allmächtigen Tod buchstäblich immer wieder von Neuem aufbegehren.

Der geheime Motor hinter Schuhs Textgebilde ist die Unvereinbarkeit des Denkens mit den Zielen des Denkens. Während das Denken insbesondere in der akademischen Philosophie die Vorstellung nährt, als würde es auf ein Ziel hinauslaufen, dem sich das Leben unterordnen ließe, so zeigt sich das Leben als völlig gleichgültig gegenüber den großen Leistungen der Reflexion. Das im Monolog verharrende alter ego Franz Schuh des Franz Schuh erkennt auch diese Vergeblichkeit des Denkens, weiß aber, dass ihm ohnedies nichts anderes übrig bleibt als weiter im Denken auszuharren, weil es immer noch besser ist im Vergleich mit dem hirnlosen Dahinvegetieren als Konsumsubjekt; eine besonders schöne Zuschreibung findet sich auf Seite 206: „Wir lernen zu diskutieren, damit wir einlenken können, es ist alles eine Talkshow, eine Talkshow mit Vera Russwurm, der Domina der Belanglosigkeit.“ Daran lässt sich ferner erkennen, dass nicht nur Franz Schuh als Franz Schuh in diesem Buch den Lesenden mit ungebrochener Wahrhaftigkeit entgegen treten möchte, sondern auch all jene Personen mit einer auch noch so bescheidenen öffentlichen Wirkung ohne Verlust durch Fiktion wirken sollen. Das Buch hat gewiss etwas von einer Chronik und einer Fußnote zum Zeitgeschehen. Das Stichwort ist „Authentizität“. Wie viele andere wahre Humanisten zeigt sich auch Franz Schuh als überzeugter Misanthrop.

Franz Schuh hat als Essayist seinen berechtigten Ruf begründet. Es ist vermutlich der stärkste Einwand gegen das Buch, dass genau das Wesen des Essayistischen ohne dramaturgische Raffinesse zu einem Plaudern nebenbei verkommen kann und dies passiert diesem Buch zuweilen. Dennoch erzeugt es den Charakter einer Narration, weil von einer Liebesbeziehung erzählt wird, die – leicht absehbar – unglücklich endet. Im Klappentext heißt es „Ich will hier nur eines erzählen, nämlich wie ich Lili, die mich natürlich auch verlassen hat, eines Tages kennenlernte.“ Darüber jedoch wird leider etwas zu wenig erzählt, würde diese Begegnung detailvoller ausgestaltet werden, käme der Erzählstimme das Autistische ihrer Rede abhanden und so könnte sich der auratische Gehalt einer Erzählung entwickeln. Lili bleibt eine Art Souffleuse für den Dekonstruktivisten im Mittelpunkt. So sehr sich Schuh seine Meriten als Betrachter erarbeitet hat, so sehr entzieht er sich als Erzähler. Ganz offenbar wollte Schuh auch gar nicht erzählen. Und: Es ist schade, dass er es nicht wollte.

Alexander Peer
9. Dezember 2014

Für die Rezensionen sind die jeweiligen VerfasserInnen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.


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