logo kopfgrafik links adresse mitte kopfgrafik rechts
   
Facebook Literaturhaus Wien Instagram Literaturhaus Wien

FÖRDERGEBER

Bundeskanzleramt

Wien Kultur

PARTNER/INNEN

Netzwerk Literaturhaeuser

mitSprache

arte Kulturpartner

Incentives

Bindewerk

kopfgrafik mitte

Friedrich Hahn: Von Leben zu Leben.

Roman.
Wien: Verlag Wortreich, 2016
160 Seiten; geb.; Euro 19,90.
ISBN 978-3-903091-07-8.

Autor

Leseprobe

Mike Strötter lebt ein Leben, "das nicht er lebt. Sondern das ihn lebt." Von Beruf Texter, hält sich Michael, wie Mike eigentlich heißt, geradeso über Wasser: "Er bietet Trauertexte an, hält Schreibseminare für literarisch Ambitionierte ab, erfindet sich als Single-Coach". Bis auf gelegentliche Besuche bei seinem Stammwirten Wiesinger plätschert sein Alltag ruhig vor sich hin. Bis eines Tages Torsten Brändle auftaucht. Er ist um die vierzig, in der Filmbranche tätig gewesen und nun auf der Suche nach einem Ghostwriter. Wofür? Für nicht weniger als die Niederschrift seines Lebens. Sein Wunschkandidat: Mike. So wird, was als Auftragsarbeit gedacht war, zum Beginn eines Abenteuers.

Auch diesmal präsentiert Friedrich Hahn mit seiner Figur einen literarischen Einzelgänger. Bereits in seinem 2015 erschienen Buch Der Setzkasten sucht der Protagonist seinen Platz in der Welt und will doch allein für sich sein. Auch Mike sucht den Kontakt zur Außenwelt immer wieder, doch nur temporär. Das Schreiben, vielmehr noch das Lesen interessiert ihn – leben geschieht da eher nebenher: "Mike hatte wieder ein wenig gelebt, hatte wieder ein paar Bücher weggelesen." Dabei begegnet er dem Masochismus der Autoren mit Skepsis: "Warum, fragte sich Mike, taten sich Menschen in künstlerischen Darstellungen genau die Erfahrungen an, die sie quasi im wahren Leben vor Verzweiflung in den Wahnsinn treiben würden?"

Mike möchte eine Veränderung im Leben wagen, jedoch ohne sich zu ändern. Frauengeschichten dürfen dabei nicht fehlen, hier zeigt sich auch Hahns Hang zu Wortspielereien: "Ich finde, wir sollten das bald wiederholen, hatte er beim Verabschieden gesagt. Ich würde mich freuen, sie nach den obligaten Linksrechtswangenküsschen. Mike tippte Helenes Nummer. Nach einem kurzen Wiegehtsdirgeplänkel erzählte sie vom Stress, den sie habe, vom Wetter, unter dem sie leide, und dass sie jetzt mit einem Freund zusammen sei, und dass er ein patenter Kerl sei."
Die erhoffte Veränderung kommt ungefragt und noch dazu in Form eines Mannes: Torsten.
Denn die Arbeit an Torstens Biografie wird zur Initialzündung für Mike, der langsam wieder Nähe zulässt – konkret durch den Kauf eines Goldfisches samt riesigem Aquarium. Schließlich wird aus Torsten mehr als nur ein Kunde, es entwickelt sich eine Freundschaft zwischen den beiden Männern. Sie teilen ihre Wünsche, Träume und Ängste miteinander.
Bei einem ihrer Ausflüge zum Flughafen wird jedoch klar, dass diese Freundschaft
vor einem jähen Ende steht. Torsten hat nicht mehr viel Zeit. Er ist todkrank. Die
Arbeit an seiner Biografie wird für Mike zum Ausgangspunkt für seinen
eigenen Neubeginn, in dem auch Frauen aus der Vergangenheit ihren Platz
einnehmen. Die Grenzen zwischen Torsten und Mike verwischen sich, und
Mike droht beinahe in Torstens Leben zu kippen.
Die Suche nach der eigenen Identität wird zum Leitmotiv des Romans. Torsten will sich seines Lebens bewusst werden, indem er es verschriftlichen lässt. Und auch Mike findet durch das Schreiben zurück zu seinem Selbst. Dabei zeigt eine Szene diese Annäherungsversuche sehr plastisch, als Mike Torstens Leben aus der Ich-Perspektive wiedergibt: "Ich musste einundvierzig Jahre alt werden, um schlagartig zu erkennen, dass ich mein ganzes Leben das, was man gemeinhin für Liebe hält, entbehrt hatte. Mit H. hatte ich ein Haus gebaut, ein Kind gezeugt, das H. jedoch verlor."

Wie bereits in seinem Vorgängerbuch nutzt Hahn die Geschehnisse, um dahinter ein Netz von poetisch-philosophischen Gedanken auszubreiten, hier etwa bei einem Spaziergang seines Protagonisten:
"
Sind es nicht die versäumten Momente, die vertanen Chancen, die Defizite, die unser Leben ausmachen? Die uns vielleicht mehr prägen als die geglückten Dinge? Sind es die Fähigkeiten, die wir nicht beherrschen, die uns womöglich mehr prägen als all unsere Talente, auf die sich jeder von uns soviel einbildet?"
Zu einem allzu ernsten Ton kommt es trotz der teils traurigen Geschichte nie.
Hahn versteht es die melancholisch-heitere Stimmung durch feinen Sprachwitz aufzubrechen, so gelingt ihm eine kleine Studie über die Suche nach dem eigenen Ich, der man als LeserIn gerne folgt.

Erkan Osmanovic
28. September 2016

Originalbeitrag.
Für die Rezensionen sind die jeweiligen VerfasserInnen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

Link zur Druckansicht
Veranstaltungen
Junge LiteraturhausWerkstatt - online

Mi, 13.01.2021, 18.00–20.00 Uhr online-Schreibwerkstatt für 14- bis 20-Jährige Du schreibst und...

Grenzenlos? (Literaturedition Niederösterreich, 2020) - online

Do, 14.01.2021, 19.00 Uhr Buchpräsentation mit Lesungen Die Veranstaltung kann über den Live...

Ausstellung
Claudia Bitter – Die Sprache der Dinge

14.09.2020 bis 25.02.2021 Seit rund 15 Jahren ist die Autorin Claudia Bitter auch bildnerisch...

Tipp
LITERATUR FINDET STATT

Eigentlich hätte der jährlich erscheinende Katalog "DIE LITERATUR der österreichischen Kunst-,...

OUT NOW flugschrift Nr. 33 von GERHARD RÜHM

Die neue Ausgabe der flugschrift des in Wien geborenen Schriftstellers, Komponisten und bildenden...