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Gerhard Loibelsberger: Reigen des Todes

Historischer Roman.
Meßkirch: Gmeiner Verlag, 2010.
324 Seiten; brosch.; Euro 12,90.
ISBN 978-3-8392-1068-0.

Link zur Leseprobe

"Reigen des Todes". Ein bildhafter Titel, der die Umarmung des Todes mit der Euphorie des Tanzens in Einklang bringt. Solche Kontraste bzw. Dualitäten stehen auch inhaltlich im Zentrum von Gerhard Loibelsbergers zweitem Jugendstil-Krimi. Der Roman führt seine Leser kreuz und quer durch das Wien des greisen Kaisers, schnabuliert sich durch die Kaffeehäuser, in denen Adelige und Bürger zwischen Gabelfrühstück und Souper über das Abendessen sinnieren und stolpert geradewegs in die Katakomben hinab, wo der Griasler (=Obdachloser) haust und stumpfsinnig vor sich hinmüffelt.

Doch etwas ist faul in Wiens Kanalsystem. Ein abgetrennter Unterarm sorgt für Furore – oder etwa doch nicht? Es ist nicht nötig, sich über das gruselige Bündel großartig zu entsetzen, das nach seinem abrupten Auftauchen recht rasch wieder auf Eis gelegt wird, und außerdem nicht schwer herauszufinden, wem der Unterarm abhanden gekommen ist und welch unseliges Gespann hinter dessen unsachgemäßer Entsorgung steckt.

Die Geschichte setzt sich aus parallel ablaufenden Handlungssträngen zusammen, welche die Schicksale der Protagonisten Steffi Moravec, Joseph Maria Nechyba, Anastasius Schöberl, Hansi Popovic, Goldblatt und Graf Collredi zueinander in Beziehung setzen. Erstere, eine dominante Kokotte mit bewegter Biographie, die unschuldig eine stattliche Menge an Leichen anhäuft, parasitiert sich munter durch Wiens Betten und gerät dabei ins Fadenkreuz des Inspector Nechyba. Der Mord, dessen Aufklärung ungefähr neun Monate in Anspruch nimmt, dient also mehr als verbindender Rahmen denn als vordergründiges Ereignis, da die kriminalistischen Entwicklungen durchwegs über- und durchschaubar bleiben und es weder große Überraschungen noch Enthüllungen gibt.

Wer nach der Spannung eines Thrillers oder eines Whodunnits dürstet, kommt bei diesem Roman nicht auf seine Kosten. Wer aber dazu bereit ist, diesen auf liebevoller Recherche basierenden historischen Krimi als ironischen Gesellschaftsroman anzunehmen, der wird im Figuren-Panoptikum des Gerhard Loibelsberger einige kurzweilige Stunden zu verbringen.
Dem Roman tut es keinen Abbruch, dass Nechyba und Konsorten nicht exemplarisch genug sind, um die gesellschaftlichen Gärungsprozesse des Fin de siècle abzubilden. Man könnte dafür den Fokus auf die kleinen Leute als die eigentliche Stärke des Romans bezeichnen. Ihre Eitelkeiten und Alltagssorgen, der Gedanke an die nächste Gaumenfreude oder der nackte Kampf ums Überleben sind es, welche Loibelsbergers Figuren Leben einhauchen und ihnen die Sympathie des Lesers einbringen.
Ihre Menschlichkeit macht einfach Spaß, wenn auch auf eine distanzierte, unverbindliche Art und Weise. Dieser emotionale Abstand ist dem häufigen Perspektivenwechsel geschuldet, der zu Beginn eines jeden Kapitels vollzogen wird und entfernt an Leo Perutz Zwischen neun und neun erinnert. Als außenstehender Beobachter lässt man sich amüsiert auf die masochistischen Züge eines Collredi oder das herrische Wesen einer Steffi Moravec ein, ohne von deren herben Schicksalschlägen allzusehr mitgenommen zu werden. So freut man sich zwar ehrlich über jedes Zuckerl und Geldstück für den gefallenen Schöberl, wird von dem tragischen Ableben einiger seiner Zeitgenossen allerdings kaum berührt.

Die Geschichte fließt in äußerst eingängiger Sprache dahin und nennt das Kind unter Verwendung des einen oder anderen Kraftausdrucks beim Namen, sofern die Situation dies erfordert. Zusätzlich verleiht der Wiener Jargon dem Text ein unverkennbares Gepräge.
Die Auflösung des Falles ist nicht unoriginell, dennoch kann man sie als konstruiert empfinden. Der Roman endet mit einem Mord, der außerhalb der eigentlichen Geschehnisse liegt und als Epilog bereits den Keim für eine Fortsetzung in sich trägt. Man darf also auf ein weiteres Kapitel Schimpf und Schande zwischen Wiener Köstlichkeiten gespannt sein.

Natalie Dunkl
20. 12. 2010

Originalbeitrag

Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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