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Leseprobe: Maria Czedik-Eysenberg - "Das Erbe."

Das Lächeln auf Lauras Gesicht erstarb. Was für eine schreckliche Frage. Aus dem Mund jedes Menschen hätte sie unerhört geklungen, doch bei dieser Frau, deren Augen sie nicht losließen, hörte es sich so selbstverständlich, so natürlich an, dass Laura ohne Zögern antwortete.
"Ich weiß es nicht!"
"Das glaube ich dir nicht. Du weichst aus, weil du der Wahrheit nicht ins Gesicht sehen willst. Du hast sie also nicht gemocht?"
"Nein, so einfach ist das nicht. Wenn Sie die letzten Jahre meinen, dann haben Sie recht. Je weniger ich die Mama gemocht habe, desto mehr habe ich mich zurückgezogen, desto... na ja... desto lästiger ist die Mama geworden, und desto weniger mochte ich sie."
"Und desto mehr Gewissensbisse hattest du?"
"Und ob! Aber es hat nichts genützt. Immer bin ich mit den besten Vorsätzen nach Wien gekommen, und immer hat es die Mama fertig gebracht, dass innerhalb der kürzesten Zeit nichts mehr davon übrig war. Das ist alles so mit der Zeit gekommen. Früher, da hab ich die Mama geliebt, wie halt jedes Kind seine Mutter liebt, ohne Nachdenken, ohne Kritik. Aber wie ich älter geworden bin und gesehen habe, wie... es ist ein schrecklicher Ausdruck, aber der einzig passende, wie tückisch die Mama mich mit ihren vorgegebenen körperlichen und seelischen Leiden erpressen wollte, da ist von der Liebe wenig übrig geblieben."
"Ich hab die Therese gekannt, mir brauchst du nichts zu erzählen. Aber ist dir nie der Gedanke gekommen, mit ihr zu sprechen? Ich meine nicht als junges Mädchen, sondern später mit dem Abstand von Zeit und Ort?"
"Diesen Abstand hat es nie gegeben. Ich... also ich habe immer das Gefühl gehabt, als säße mir die Mama auf der Brust und ließe mich nicht atmen." Die unvermeidliche Röte stieg Laura ins Gesicht. Sie war entsetzt, dass sie etwas ausgesprochen hatte, das zu denken sie sich sogar verbot.
"Und jetzt schämst du dich, weil du das gesagt hast, stimmt's?" "Ja. Ich schäme mich. Ich schäme mich seit Jahren, und seit dem Tod der Mama schäme ich mich noch mehr."
"Und warum?"
"Weil es so eine Erleichterung für mich war. Und statt dass ich für dieses unkindliche und unchristliche Verhalten bestraft worden wäre, bekam ich noch eine Belohnung. Der Anwalt hat mir gesagt, die Mama war überzeugt, nach einer gescheiterten Ehe würde ich nach Wien zurückkommen und daher das Vermögen für mich sehr lebenswichtig sein. Ja, ich habe eine Belohnung bekommen."
"Belohnung? Ich würde es nicht von dieser Seite sehen. Du hast das bekommen, was die Therese nicht ins Grab nehmen konnte. Vorher hat sie sichtlich mit Genuss Geld angesammelt. Auch wenn sie es angeblich für dich getan hat, Vergnügen hat es ihr sicher bereitet. Und was heißt unkindlich und unchristlich? Du bist doch ein erwachsener Mensch, nimm die Realität zur Kenntnis und sag: Ich hab meine Mutter nicht ausstehen können."
"Frau Doktor!" Laura war zutiefst schockiert.
"Sei keine Heuchlerin. Worin liegt deine Schuld, wenn du jemanden, egal wen immer, nicht magst? Du kannst dir Vorwürfe machen, wenn du deiner Pflicht nicht nachgekommen bist, dem anderen nicht geholfen hast, aber Liebe kann dir kein Mensch abverlangen."
(S. 88f)

© 2005, Czernin Verlag, Wien.
Publikation mit freundlicher Genehmigung des Verlags

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