Leseprobe: Susanne Ayoub - "Schattenbraut"

"Verlobt! Das klingt ja großartig! Aber was ist es wirklich?" stieß sie hervor. "Du glaubst doch nicht -"
"Moment", mischte sich Julius ein. "Du bist minderjährig, du kannst dich nicht mir nix, dir nix einfach verloben. Willst Du mir einmal sagen, um wen es sich handelt?" "Raoul Sebestyén. Sie bildet sich ein, er wird sie heiraten!" Johanna war plötzlich außer sich vor Zorn. "Dabei solltest gerade du es besser wissen! Haben wir ihn nicht selbst erwischt, wie er es im Bad mit diesem Weibsstück getrieben hat?"
"Hör auf!" Friederike gab Johanna einen Stoß vor die Brust. "Wie kannst du so vor unserem Vater sprechen!" "Unser Vater", höhnte Johanna. "Der hat es grad nötig!" Frederikes Angriff hatte sie aus dem Gleichgewicht gebracht. Sie stolperte gegen den offenen Fensterflügel. Das Glas klirrte und zerbrach. Ein Scherbenregen ergoß sich über das Mädchen und auf den steinernen Küchenboden. Johanna schrie auf. Auf ihrer Wange war ein kleiner, blutender Schnitt, wo ein Stück Glas sie verletzt hatte.
"Um Himmels willen, was treibt ihr zwei?" Julius zog ein Taschentuch hervor und wollte Johanna das Blut aus dem Gesicht tupfen, aber sie wehrte ihn ab, mit einem Mal wieder ruhig.
"Da ist es, das Glück. Gestern hat es noch einer abgefangen. Aber so geht es nicht mit dem Schicksal", murmelte sie. "Das darf ja nicht wahr sein. Bekomme ich jetzt endlich eine ordentliche Antwort!" empörte sich Julius.
"Ich werde heiraten, Vater."
Julius kehrte Johanna den Rücken, um Friederike ins Visier zu nehmen. "Ist das dein Ernst, den Juden?" "Ich liebe ihn." "Ja ..." Julius hob beide Hände an die Schläfen und rieb sie. "Ja, was soll man dazu sagen?"
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