LESEPROBE:
Ich stand an seinem Grab. Eine schlichte, helle Marmorplatte, darin eingraviert sein Name und seine Lebensdauer. Mein erster Besuch, am Tag nach dem Begräbnis. Ich stand vor dem Grab und suchte nach einem entsprechenden Gefühl. Ich dachte dabei an die unglaubliche Empathie, die ich jeder fiktiven Persönlichkeit schenken konnte. Als mein Vater starb, bedauerte ich die Tatsache, dass er jetzt nie wieder ein Dosenbier aufmachen könnte. Mir kam zu Bewusstsein, dass er nie wieder imstande war, sich über das Wetter zu beschweren. Das Wetter wird ohne ihn fortbestehen. Regen, Sonne, Nebel und Schneefall werden weiterhin in heimlicher Gesetzmäßigkeit aufeinander folgen. Auf seinem Nachtkästchen wird sein Funkwecker stehen, dessen Alarmzeit forthin die gleiche bleibt. Seine Fußballmannschaft spielt auch dieses Wochenende und wird weiterhin Wochenende für Wochenende kreuz und quer über den Rasen laufen.
(S. 177)
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