logo kopfgrafik links adresse mitte kopfgrafik rechts
   
Facebook Literaturhaus Wien Instagram Literaturhaus Wien

FÖRDERGEBER

Bundeskanzleramt

Wien Kultur

PARTNER/INNEN

Netzwerk Literaturhaeuser

mitSprache

arte Kulturpartner

Incentives

Bindewerk

kopfgrafik mitte

Ludwig Roman Fleischer: Letzte Weihnachten.

Weihnachtsgeschichten.
Klagenfurt: Sisyphus, 2000.
103 S., geb.; öS 198.-.
ISBN 3-901960-04-X.

Link zur Leseprobe

Der Titel des Erzählbandes "Letzte Weihnachten" klingt durchaus abgeklärt, denn es schwingt so etwas wie "Letzte Ölung" mit. Und obwohl Weihnachten gegen Ende eines jeden Jahres kommen wie das Amen im Gebet, stehen auch sie vielleicht auf der roten Liste wie aussterbende Vögel. Vielleicht sollte man sich um Weihnachten kümmern, so lange es sie noch gibt, meint Ludwig Roman Fleischer, aber sollte alles schief gehen, könnte man ja die Geschichten als Weihnachtsersatz verwenden.

Ähnlich wie in der Sammlung "Herbergssuche" (Sisyphus 1995), geht es auch bei den Geschichten um "letzte Weihnachten" um Außenseiter, skurrile Festivitäten und Aktionen der abstrusen Art. Dabei arbeitet der Autor mit der Erkenntnis, daß nichts so spontan daneben geht wie das Feierlich-Geplante, und daß nichts so komisch wirkt, wie das Weihnachtsglöckchen zur falschen Zeit.

"Nikolaus-Hotline" porträtiert einen rührigen Freiberufler, der ganz nach den Richtlinien der Regierung auf Event setzt und den Leuten Häschen, Nikolaus und Sylvesterscherz in einem anbietet. Seine Homepage ist auch knallvoll mit Sonderangeboten, und einer Menschheit, die sich im Einheitsbrei am glücklichsten fühlt, muß man auch das Einerlei im passenden Outfit anbieten. "Nikolaus-Hotline" erzählt die Geschichte des perfekten E-Commerce, der Nikolaus erscheint letztmalig in analoger Fassung, sein Programm hat er schon digitalisiert.
Im Obdachlosenheim geht es im Advent rund, wenn die Außenseiter der Gesellschaft mit Bons und Trink-Bonbons abgespeist werden. Zwei Rudis lassen das Leben Revue passieren. Zu jedem Obdachlosen wird die passende Unglücksgeschichte erfunden. Nach dem Fest geht der eine Rudi auf einen Doppler, während der andere nach Beendigung der sozialen Saisonarbeit sich in den wohlverdienten Schiurlaub stürzt.

Die Erzählung "Weihnachtsablaß" ist als Börsenbericht der besonderen Art angelegt. Während ein Kirchenfunktionär noch die Erlösungsgeschichte herunterjodelt, gibt er jeweils aktuelle Einblicke in das Finanzimperium des Vatikan. Geradezu ein Geniestreich der Vatikanbanker ist es, in diesem Jahr die Produktionsstätten für Verhütungsmittel ersteigert zu haben. Der Weihnachtsablaß fällt deshalb heuer auch sehr großzügig aus, die "Hausse" an der Börse geht nahtlos in ein Hallelujah über.

Eine gute Regierung hat immer auch einen Sinn für Weihnachten. Deshalb wird für Weihnachten das Programm der "Renatalisierung" beschlossen. Die Staatsbürger können durch einen Umkehrschub in den Genen die geistigen Vorzüge des Alters mit den körperlichen Adelsprädikaten der Jugend kombinieren, was ein Wohlgefühl wie Weihnachten auslöst.

Ludwig Roman Fleischers Stärke liegt darin, daß er den Unsinn der Figuren mit der Beharrlichkeit eines operierenden Chirurgen erzählt. Ader für Ader wird freigelegt, abgeklemmt, restauriert und revitalisiert. Gerade die absurden Plots brauchen die größte Erzählgenauigkeit, damit das Unwahrscheinliche glaubhaft wahrscheinlich wird.

Wie Deix-Figuren kriegen alle Protagonisten bei Ludwig Roman Fleischer den berüchtigten Österreicher-Touch, der sich mal in einem dritten Nasenloch und mal als dritte Kraft im Parlament äußert. Die dreizehn Geschichten über "letzte Weihnachten" sind naturgemäß keine erbaulichen Streichelgeschichten für die geschundene Seele, denn die Figuren kläffen zurück, wenn man ihnen mit Mitleid kommen will. Aber am Knackpunkt Weihnachten, wo der Konsum ohne Abwehrbewegung des Patienten voll in die Herzkammern der Gefühle einschlägt, ist Ludwig Roman Fleischer ein straffer Regisseur. Nie belehrend, nie weinerlich und doch weihnachtlich, lässt er die Protagonisten so aufeinander zusteuern, daß sie am Schluß alle im Fest implodieren.

Helmuth Schönauer
25. Oktober 2000

Link zur Druckansicht
Veranstaltungen
Junge LiteraturhausWerkstatt - online

Mi, 13.01.2021, 18.00–20.00 Uhr online-Schreibwerkstatt für 14- bis 20-Jährige Du schreibst und...

Grenzenlos? (Literaturedition Niederösterreich, 2020) - online

Do, 14.01.2021, 19.00 Uhr Buchpräsentation mit Lesungen Die Veranstaltung kann über den Live...

Ausstellung
Claudia Bitter – Die Sprache der Dinge

14.09.2020 bis 25.02.2021 Seit rund 15 Jahren ist die Autorin Claudia Bitter auch bildnerisch...

Tipp
LITERATUR FINDET STATT

Eigentlich hätte der jährlich erscheinende Katalog "DIE LITERATUR der österreichischen Kunst-,...

OUT NOW flugschrift Nr. 33 von GERHARD RÜHM

Die neue Ausgabe der flugschrift des in Wien geborenen Schriftstellers, Komponisten und bildenden...