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Max Höfler: wies is is. ein mondo cane machwerk.

Klagenfurt: Ritter Verlag, 2014.
232 Seiten, broschiert, Euro 18,90.
ISBN: 978-3-85415-517-1.

Autor

Leseprobe

Dies ist bereits meine zweite Rezension über Max Höflers neues Buch "wies is is. ein mondo cane machwerk". Macht nichts. Denn das Buch - ein einziger, über zweihundert Seiten langer, interpunktionsfreier, aber dank Syntax und Rhythmus fest zusammengehaltener, also gut lesbarer Satz - ist ergiebig. In meinem ersten Beitrag (für schreibkraft #27) ging es vor allem um einen kleinen, aber spürbaren Unterschied zwischen der Autorenintention und der manifesten Wirkung des Textes: Ich las "wies is is" als ein Buch über neofeudale Strömungen im zeitgenössischen Bewusstsein - Höfler hatte dagegen laut mündlich eingeholter Auskunft eines über den guten (bzw. bösen) alten globalen Kapitalismus als vielgestaltige Ganzheit geschrieben. Über den Untertitel - "ein monco cane machwerk" - sei hier nur angemerkt, dass er auf ein Filmgenre verweist, welches ungefähr das dokumentarfilmische Äquivalent zum Exploitation-Kino darstellt, wobei "wies is is" die Funktionsweise und Ästhetik dieses Genres überraschend bruchlos emuliert.

Zum eigentlichen Buch: Der eine Satz, aus dem es besteht, umfasst etwa achtzig bis hundert Szenen höchst unterschiedlicher Ausprägung - es gibt sozialrealistische und surreale, fantastisch-narrative und introspektiv-psychologisierende, pornographische und proto-theoretische darunter. Ihnen gemeinsam ist mehreres:
Erstens, dass sie alle die Balance zwischen gleichsam vorbehaltloser Schilderung und Karikatur ihres jeweiligen Gegenstands halten.
Zweitens, dass sie alle in unterschiedlichem Ausmaß wie Pasticchen wirken, Pasticchen freilich mit für ihr Ausgangsmaterial jeweils leicht "unangemessenen" Gegenständen.
Drittens und vor allem aber ist da das Textsubjekt. Es handelt sich um ein "wir", welches sich mit der Szenerie verwandelt und den Leser vereinnahmt. Über alle seine Inkarnationen (postapokalyptischer Ninja, Jetset-Machttyp, schuldengeplagtes Häuflein Elend, Foltermeister, Folteropfer...) hinweg hat dieses "wir" gleichwohl einige konstante Eigenschaften, namentlich, dass es seine Gedanken mit einer gewissen Zwanghaftigkeit um Macht-Ohnmacht-Gefälle kreisen lässt. In entschieden narzisstischer Weise die eigene Souveränität behaupten zu können, erscheint selbst noch am unteren Ende der Nahrungsketten in "wies is is" als das einzig lohnende, leuchtende Ziel. Der Unterschied zwischen Tätern und Opfern, in deren Haut "wir" schlüpfen, ist nicht in einer fundamental unterschiedlichen Perspektive auf das Dasein zu finden, die dann auch unterschiedliche Handlungs- oder Erkenntnisoptionen freilegen würde, sondern eher nur darin, wie erreichbar dieses eine Ziel narzisstischer Ich-Behauptung jeweils erscheint. Nun hintertreibt natürlich das "wir", das den Text zusammenhält, schon auf der Ebene der Grammatik dieses Ziel, und denunziert es also als ephemer, falsch, selbstzerstörerisch gerade nicht für "mich" (weil es "mich" hier ja gar nicht gibt) sondern für "uns". 
"Wir" in Höflers Text entwickeln uns nicht. Wir nehmen nur neue Gestalt an - und zwar gerade immer dann, wenn die Situationen zu kippen oder genuine Erkenntnisprozesse sich zu ergeben drohen. "Wir" sind das Subjekt aller möglichen Erfahrungen und Umstände in einer Welt, die "wir" doch zugleich erschaffen. "Wir" sind somit politisch konservativ: Vertreter und Produkte einer Weltsicht, nach der sich alles immer genau so viel ändern muß, dass "es" unter veränderten Bedingungen gleich bleiben kann.

Wenn alles Gesagte eher abschreckend klingt, dann muß doch gesagt sein: Das Buch ist auf perverse Weise lustig, sowohl für Freunde der Literatur- oder Gesellschaftstheorie wie für pop- und TV-affine Metatext-Surfer. Die Abwesenheit von Satzzeichen fällt viel weniger stark ins Gewicht als man vermutet, wenn man "wies is is" in die Hand nimmt und, eingeschüchtert von der Textmauer auf der ersten Seite, überlegt, ob man sich das wirklich antun will. Man findet sich im Gegenteil rasch in Höflers Duktus zurecht, und findet auch rasch heraus, warum es seiner hier zwingend bedarf.
Die einzige echte Schwierigkeit ist, dass es uns dieses "machwerk" ohne klassische Gliederung stark erschwert, es in kleinen Happen, immer ein paar Seiten an der Busstation oder vor dem Schlafengehen, zu lesen - was doch der Aufbau aus ein- bis dreiseitigen Szenen sonst nahelegen würde. Statt dessen funktioniert der Text am Besten, wenn wir uns die Zeit nehmen, ihn als zweihundert Seiten langes Ganzes in einer längeren "Sitzung" ins Gehirn zu schieben. "wies is is" ist kurzweilig genug dazu.

Stefan Schmitzer
27.01.2015

Originalbeitrag.
Für die Rezensionen sind die jeweiligen VerfasserInnen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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