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© Lukas Dostal

Geb. 1968 in Wien. Studium der Germanistik und Philosophie, Journalistin bei der Kleinen Zeitung, Werbetexterin mit Schwerpunkt Krankenhausmarketing. Absolventin der Leondinger Akademie für Literatur 2008/09. Diverse Auszeichnungen für Kurzgeschichten, u. a.: Finalistin Werner-Bräunig-Literaturpreis 2009, Gewinnerin Wortlaut 2011. Longlist MDR-Literaturpreis 2012. Ihr Romane „Südbalkon“ (2013) und „Das Fest des Windrads“ (2015) erschienen im blumenbar-Programm bei Aufbau. Isabella Straub lebt in Klagenfurt.

Komm tanz mit mir ins Wunderland

An den Armen des Kronleuchters glimmt eine 20-Watt-Glühbirne, die anderen fünf hat Hans herausgedreht. Das spart Strom. Außerdem braucht Hans keine Festbeleuchtung. Auf Mizzis Körperkontinent orientiert er sich blind. Hügel, Almen, Gruben, Bäche, Wälder und Felder: Ein für alle Mal erobertes Land, immer wieder umgepflügt und mit frischen Begierden bepflanzt.

Hans dreht an Mizzis Brustwarze wie am Knopf eines Weltempfängers, doch der richtige Sender will sich nicht einstellen lassen. Das ist ein Programm mit sinkenden Einschaltquoten. Mizzi schiebt seine Hand fort, worauf Hans ihre Handgelenke fixiert und tief in die Matratze drückt. Vor ihm kann man nicht flüchten, wer das glaubt, hat sich geschnitten.

Der Federkern jammert. Hans verrenkt den Kopf und saugt Mizzis Nippel in seinen Mund. Mit seinen Lippen erzeugt er einen Unterdruck. Der Schmerz treibt Mizzi die Tränen in die Augen. Sie weiß halt nicht, was gut ist, normal ist das nicht, denkt Hans. Froh und dankbar muss sie sein, so einen wie ihn überhaupt bekommen zu haben, einen unkündbaren Beamten mit Wechselschichtzulage.

Mizzi liegt da wie ein Schnitzel, das geklopft werden will. Ihre Brüste, zwei weiche Fladen, fallen schwermütig zur Seite. Bald schon wird sie durch sein, von beiden Seiten gut angebraten, vorher aber muss sie noch in Öl eingelegt werden.

Mizzis Bauchfleisch zittert im matten Widerschein der Glühlampe. Die zarten Querstreifen in der Nähe des Bauch-Äquators zittern mit. Dort hat einmal ein Kind gehaust, das heute von der Oma gehätschelt wird. Mit Fausthieben von innen hat es zittrige Zeichen in die Haut seiner Mutter gemalt. Male, die nicht mehr auszulöschen sind, nicht einmal von Estée Lauder.

Hans teilt die Furchen, Polster und Rillen der Frau wie ein Metzger, der das Fleisch von allen Seiten begutachtet, bevor er mit seinem scharfen Messer die Fettränder entfernt. Bald wird er seine Wurst dazu holen und alles appetitlich anrichten.

Mizzi liegt auf der bügelfreien Seersucker-Wendebettwäsche in Rosé und lässt die Inspektion über sich ergehen. Sie zuckt nicht einmal, als sich eine Fliege auf ihrem Unterarm niederlässt, um sich die Flügel zu putzen. Gut für Hans, denn er hat gerne freie Bahn, und freier als diese hier kann eine Bahn gar nicht sein. Mit seiner vollen Gießkanne füllt er das Glück in die Frau, bis sie überquillt und das überschüssige Glück aus allen Poren und Ritzen wieder entweicht. So etwas muss einem erst einmal gelingen! Hans wird das Gefühl nicht los, dass es Mizzi an Respekt für diese Leistung mangelt.

Onkel Helfried schaut aus dem Bilderrahmen heraus und ihnen zu. Onkel Helfried trägt einen Hut mit Pfauenfeder, ein Gewehr und einen Blick, der sagt: „Ich lege um, was mir in die Quere kommt.“ Hans geht es ganz gleich, das liegt offenbar in der Familie. Die Mizzi hat er schon zigfach erlegt, eine wandelnde Trophäe, die ihm immer wieder vor die Linse gerät, so dünn kann sie sich gar nicht machen. Hans ist ein Jäger und Sammler, das ist in seine Gene eingraviert wie die Vorliebe für Körbchengröße 95 D. Seine Bestimmung soll man nicht verleugnen, weil sie sonst in neuer, scheußlicherer Form ans Licht drängt.

Mizzi trägt ein Negligé mit cremefarbener Spitze an den Rändern und halterlose Strümpfe mit gummiertem Abschluss, über dem sich das überschüssige Beinfleisch staut. Das sieht Hans gerne. Er streicht über Mizzis Schenkel, spürt mit seinen Fingerkuppen den Dellen, Ausbuchtungen und Hauthügeln nach. Auch dort, an der Innenseite, wo die Schenkel aneinander reiben und die Haut rot und rau ist.

Hans ist der Ordnungshüter, der alles in die richtigen Bahnen lenkt. Verabsäumt man es, einen Frauenkörper mittels Stoff und Latex zu disziplinieren, neigt er dazu, sich ins Unendliche auszudehnen. Sieglinde, seine erste Frau, wuchs nach allen Seiten wie ein Geschwür. Bald konnte sie ihren gelernten Beruf, sie war Friseurin am Praterstern, nicht mehr ausüben: Sie passte nicht mehr zwischen Wand und Waschtisch. Seit jenem Vormittag, an dem die Lehrlinge Anja und Sabrina die knöchrigen Schultern gegen ihren massigen Oberarm stemmten um sie zu befreien und Sieglinde vor Scham weinte, blieben ihr nur noch die Zigaretten und die Königshäuser. Sie saß im Hauskleid im Wintergarten, rauchte eine Camel nach der anderen und blätterte mit gelben Fingern in der Frau im Spiegel und im Goldenen Blatt.

Als Lady Diana gegen die Tunnelmauer krachte, sagte Sieglinde: „Ich hab immer schon gewusst, dass da was läuft mit dem Dodi.“ Sie hatte ihre Zigarette bis zum Filter aufgeraucht, weil verschenkt wird nix, und dann hat sie den Artikel sorgfältig ausgeschnitten und ins Fotoalbum geklebt. Da waren mehr Fotos drin von Lady Dianas Hochzeit als von ihrer eigenen.

Als Hans sie später am Abend fand, lag ihr Kopf auf dem Fotoalbum. Die Stummel ihrer Zigaretten hatte sie aufgestellt und zu einem Kreuz arrangiert. Hans rinnt es heute noch kalt den Buckel hinunter, wenn er daran denkt. Als er sie an der Schulter rüttelte, kippte ihr Kopf auf die Tischplatte.

Es war ein Blutgerinnsel im Kopf, den lateinischen Namen hat er sofort wieder vergessen. Sieglinde hat er nicht vergessen, aber er hat sie in die Tiefe einer selten frequentierten Erinnerungslade abgeschoben. Schließlich hat er ja jetzt Mizzi, und mit dieser hat er noch allerhand vor.

Zum Beispiel jetzt.

Die Pyjamahose ist gleich zur Hand, hellgrau-dunkelgrau kariert, da sieht Mizzi bestimmt nichts durch. Er legt ihr ein Bein der Hose um die Augen und verknotet es am Hinterkopf mit dem anderen Hosenbein. Die geschoppten rotblonden Haare bilden einen Helm auf Mizzis Kopf. Schön ist was anderes, aber wir sind ja nicht am Laufsteg. Wir sind im Schlafzimmer der Reintalers, Tulpenstraße 7, Appartement 3A, Erdgeschoss, kleiner Vorgarten mit Thujenhecke.

Hans sagt: „Dreh dich um.“ Zu lange hat er das mürbe Bauchfleisch betrachtet. Ihre Arme fixiert er mit Spezial-Bändern an den Bettpfosten. Eine Verkäuferin im Fachhandel kann nur froh sein, wenn sie einmal ruhig halten darf. Sie ist doch eh so viel unterwegs zwischen Strumpfhosen-Etagere und Kasse. Bitte, was wünschen Sie? Natürlich gibt es die Stützstrümpfe auch eine Nummer größer. Möchten Sie die Söckchen in einer anderen Farbe? Heute haben wir ein Sonderangebot, drei für zwei.

Ein französisches Polsterbett mit Federkern-Innereien ist eine komfortable Liegestatt, und hätte Hans nicht alle Hände voll zu tun, so würde er das integrierte Radio bedienen und so lange am Sendeknopf drehen, bis der andere Hansi sänge, der mit der Föhnfrisur.

Die Party ist bald aus – es ist schon spät
Schade, dass die Zeit so schnell vergeht
Ich hab mit vielen getanzt in dieser Nacht
Doch du allein hast mich glücklich g'macht.


Hans sagt: „Mizzi, zählen.“ Ein altes Spiel, neu interpretiert. Mizzi muss von zehn zurück zählen, wie beim Start der Challenger. Bei null passiert jedes Mal etwas Neues, Unerwartetes. Das steigert die Spannung. Im Befehle austeilen ist Hans großartig, denn das hat er zehn Jahre lang beim Bund getan. Offizier Reintaler. Seit seiner Suspendierung wegen einer Lappalie arbeitet er als Beamter im Ministerium und richtet darüber, ob ein Formular zur Erlangung des internationalen Lichtbildausweises formvollendet ausgefüllt wurde, andernfalls er das Formular neu ausfüllen lässt.

Auch im Haus ist alles picobello. Die Frau ist auf der Welt, um alles wie neu aus der Fabrik aussehen zu lassen. Dazu gehört es auch, Schlieren zu entfernen, die sich im Inneren von Haushaltsgeräten festgesetzt haben. Klo, Abstellkammer, Speis, Einbaukasten: Überall dringt er ein, denn sein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit, in Ewigkeit, und alle sagen ja und amen. Ebenso kontrolliert er die Flusenkammer des Wäschetrockners und wischt über das oberste Regal der Speisekammer. Mit dem Staub kommen Ungeziefer und Lotterleben, zuerst das eine, dann das andere.

„Zehn“, sagt Mizzi. Ihre Stimme klingt nach Zarah Leander, dabei hat sie noch nie eine Zigarette angerührt. Am Telefon macht sich das gut. Hans hat vorgeschlagen, dass sie was dazuverdienen soll mit speziellen Gesprächen. Im Strumpfladen ist so eine Stimme Verschwendung.

Neun.

Acht.

Als Mizzi „sieben“ sagt, läutet es an der Tür. Es ist der Versicherungs-Geist namens Kurt, den Hans gerufen hat und den er jederzeit wieder loswerden kann. Kurt steht auf der Matte vor der Tür, wo es drei Grad unter null hat. Er wippt auf seinen Fußballen vor und zurück. Ein Ordner klemmt unter seinem linken Arm, mit der rechten Hand streicht er über seinen Gamsbart, den er vor knapp einer Stunde in Form getrimmt hat. Kurt ist ein Energiebündel in Männerform gegossen. Seine Schultern sind breit wie drei Gösser-Märzen-Kisten. Die Fußmatte, auf der er steht, verkündet: Tritt ein, bring Glück herein.

Hans schlüpft in seinen Bademantel und öffnet die Tür, Kurt tritt ein und bringt ein Bündel Papiere herein. Während sie durch das Vorzimmer gehen, sagt Kurt: „Ich hab Ihnen ein Durchrechnungsbeispiel mitgebracht für unsere Superspezial-Pension“, und Hans, der zielstrebig das Schlafzimmer ansteuert, seinen Hafen, seine Bucht, sein Himmelreich und sein Guantanamo, sagt beiläufig: „Setzen Sie sich nur aufs Bett, meine Frau stört das nicht.“

Wie Kurt die Mizzi so daliegen sieht, mit verbundenen Augen, angebundenen Armen, alle Gliedmaßen aufgeteilt auf die Ecken des französischen Bettes, ein Berg Frau, das Gesicht in die Matratze gedrückt, weicht er zurück wie vor einem gefährlichen Tier, einem Puma oder einem Tiger. Kurt zupft hektisch an seinem Gamsbart. Hier gibt es sonst keine Sitzgelegenheit, dumm ist das, nur eine Lehngelegenheit an der Wand oder am Kasten.

Ganz vorsichtig setzt sich Kurt ans Eck des Bettes, das im eigentlichen Sinne kein Eck ist, da die Kante wie alle Betten dieses Typus abgerundet ist. Hans setzt sich auf die gegenüber liegende Rundung und bohrt Mizzi seinen Zeigefinger in die Flanke. „Keine Angst, die beißt nicht. Gell, Mizzi?“ Er lacht.

Kurt versenkt sich in seinen Versicherungsvertrag, auf seinen Wangen glimmen Glutflecken. Ohne die Augen vom Papier zu nehmen, sagt er: „Sie zahlen die Prämien, wie Sie möchten. Entweder mit laufenden Einzahlungen oder mit einem besonders lukrativ verzinsten Einmalbetrag.“

Man sieht ihm an, dass er sich bemüht so zu reden, als seien sie allein, Kurt und Hans, zwei gestandene Männer, die wissen, wie der Hase läuft und welche Haken er schlägt. Als sei sie nicht da, diese Frau, und je stiller sie ist, umso mehr Raum nimmt sie ein, und schon nach kurzer Zeit hat Kurt das Gefühl, dass er keine Luft mehr bekommt.

Hans greift zum Nachtkästchen, holt die Kronen Zeitung hervor, blättert sie auf und legt sie auf Mizzis Hinterteil. „Die Sozialdemokratie war der Anfang vom Ende“, sagt er. „Schauen Sie sich das an: Asylwerber aus Pakistan zündet sich vor Welser Bahnhof an. Der 26-Jährige sagte noch, das Leben in Österreich sei schlecht, er wolle nicht mehr leben. Sehen Sie, wie er brennt? Das ist wegen dem Polyester. Die Ehrlichen und Fleißigen, die kommen nicht in die Zeitung. Der Ausländer nimmt uns die Arbeit und die Frau weg. Und den Platz in der Zeitung.“

„Und die Pension“, sagt Kurt, der weiß, wie man mit solchen Kunden reden muss.

„Und die Pension“, sagt Hans.

Die Zeitung zittert ein wenig.

„Meine Tante hat beim Konsum gearbeitet“, sagt Hans. „Hinter der Wursttheke. Den Kindern hat sie immer ein Radl Extrawurst über die Theke gereicht. Sie war eine Seele von einem Menschen. Am Ende hat sie 454 Schilling und 70 Groschen Pension bekommen.“

Kurt freut sich, denn zu diesem Thema kann er auch etwas beitragen. „Meine Oma hat 380 Schilling bekommen. Dafür hat sie keine Fernsehgebühren zahlen müssen. Das war ihr Segen. Sie war in den Rudi Carrell verliebt.“

Obwohl Kurt nicht zu Mizzi hinschauen will, kann er nicht anders. Zwei Handbreit von seinem Schenkel entfernt liegt ihre Hand. Ein gepolsterter Handrücken mit wulstigen Adern. Mizzi hält die Hand zu einer Faust geballt. Kurt kann einen langen roten Daumennagel sehen. Der Nagel ist oval gefeilt und perfekt lackiert, wie in der Werbung. Ihr Handrücken glänzt, wahrscheinlich hat sie die Hände erst vor kurzem eingecremt. Am Mittelfinger trägt sie einen Ring mit einem roten Stein. Kurt fragt sich, was passiert, wenn er mit seiner Hand über ihre Hand streicht. Ob sie reagiert.

Hans bemerkt Kurts Blick. „Bedienen Sie sich“, sagt er mit einer einladenden Handbewegung. „Sie sind der Gast.“

Von solchen Gastrechten hat Kurt noch nie gehört. „Ein – Einmalbetrag“, stottert er. „Oder monatliche Zahlung. Was ist Ihnen lieber?“

Hans zuckt mit den Schultern. „Zuerst hat’s mit meiner Pension nicht so schlecht ausgeschaut. Aber dann. Ein Sparpaket nach dem anderen. Die Politiker sind alle Sauschädel“, sagt er. „Ich kann sie nicht mehr sehen. Versagerpack. Das Maul aufreißen und anderen das Geld wegnehmen. Gell, Mizzi?“ Dabei zieht er an einem Bein seiner Pyjamahose, die um Mizzis Kopf gewickelt ist.

Wenn Kurt seinen momentanen Zustand beschreiben müsste, würde er sagen: unbehaglich, sehr unbehaglich. Er möchte raus hier, so schnell wie möglich. Aber nicht ohne Unterschrift, denn dann wäre alles umsonst gewesen.

Kurt reicht Hans das Formular über Mizzis Körper hinweg.

„Ich habe schon Ihren Namen hineingeschrieben“, sagt er. „Sie brauchen nur noch unterschreiben.“

Genau in dem Moment als Hans das Formular entgegennimmt, sagt Mizzi: „Sechs“, und Kurt zuckt zurück, er hat sie ja noch nicht sprechen gehört.

„Das hat nichts zu bedeuten“, sagt Hans und zwickt Mizzi in die Hüfte. Kurt beobachtet, wie er eine Speckrolle zwischen Daumen- und Zeigefinger packt und kneift, wie die weiße Haut zwischen den Fingern hervorquillt und sich rosa färbt.

Kurt hat einen empfindlichen Magen. Er spürt eine leichte Übelkeit, so als säße er auf einem Schiff.

„Fünf“, sagt Mizzi.

Vier.

Drei.

Hans' Augen sind auf den Vertrag geheftet und Kurt erwartet, dass er sich dazu äußert, stattdessen beginnt Hans ein Lied zu summen. Kurt hat das linke über das rechte Bein gelegt und wippt mit dem Fuß im Takt. Er klammert sich gerne an alles, was ein gutes Ende verspricht, und wenn einer summt, dann ist das ein positives Zeichen. Das steht auch in Acht Stufen zum Verkaufserfolg. Kurt greift in seine Aktentasche und reicht Hans einen Druckkugelschreiber, auf dem steht: Wir versichern das Abenteuer Leben.

„Andere Seite, gestrichelte Linie“, sagt Kurt.

Hans dreht das Blatt um und beginnt zu singen, zuerst leise, dann immer lauter. „Der letzte Tanz ist nur für dich, ist nur für dich allein. Komm tanz mit mir ins Wunderland der Zärtlichkeit hinein.“ Er sieht Kurt herausfordernd an. „Na, was ist? Die zweite Stimme.“

Kurt winkt schnell ab. „Ich kann nicht singen, tut mir leid“, sagt er.

„Und tanzen können Sie wahrscheinlich auch nicht“, sagt Hans. Er spürt eine Wut aufsteigen aus seiner Körpermitte. Wer die einfachsten Kulturtechniken nicht beherrscht, der hat nix verloren in seinem Schlafzimmer.

„Da“, sagt Hans und zeigt auf das Bild von Onkel Helfried. „Er ist der Bass. Bei uns singt jeder im Männergesangsverein. Seit Generationen.“

Kurt räuspert sich. „Komm tanz –“, beginnt er.

Hans unterbricht ihn. „Tiefer“, sagt er. „Hören Sie genau zu: Komm tanz mit mir. So gehört das.“

„Komm tanz mit mir –“, beginnt Kurt noch einmal. Als er beim „mir“ angekommen ist, spürt er etwas Warmes an der Hand, mit der er sich auf dem Bett aufstützt. Er will schon zurückzucken, da sieht er aus dem Augenwinkel, dass es Mizzis Hand ist. Sie streicht mit ihrem Handrücken über seinen Handrücken. Eine kleine, zarte Berührung, so als wollte sie ihn trösten.

„Ins Wunderland – “, singt Hans. Der Stein des Ringes kitzelt auf seiner Haut.

„Zwei“, sagt Mizzi.

Eins.
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© Isabella Straub, 2015

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