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Walter Grond: Der Erzähler und der Cyberspace.

Essays.
Innsbruck: Haymon, 1999.
160 S., geb.; öS 248.-.
ISBN 3-85218-294-8.

Link zur Leseprobe

In den Feuilletons debattiert man wieder gerne. Brauchen wir einen neuen Literaturkanon? Ist der Autor tot? Verdrängen die sogenannten neuen Medien das gute alte Buch? Stehen wir an der Kippe eines grundlegenden Kulturwandels? Droht uns gar das Ende des Lesens überhaupt?
Walter Grond reagiert in seiner Essaysammlung auf diese Fragestellungen, die seit einiger Zeit in der Luft hängen, allerdings mit weit weniger Pessimismus und Ängstlichkeit als die meisten Journalisten. Ihm geht es vielmehr darum, die aus diesem Wandel resultierenden, neu entstehenden Freiheiten auszuloten, und zwar hauptsächlich in bezug auf die Rolle des Erzählers.

Es sind zwei Scharniere, um die sich seine Argumentation dreht. Einerseits die Erfahrung der Migration, der sogenannte Postkolonialismus in der Literatur, d. h. die ständige Durchmischung kultureller Erfahrungen mit dem Ergebnis einer hybriden Literatur, die das Nebeneinander von völlig Verschiedenem und damit eine Vielschichtigkeit und eine Überwindung der patriachalen Ordnung ermögliche und bewirke. Die neue postkoloniale Kunst, so Salman Rushdie, lege Wert auf "die Bastardisierung, die Unreinheit, die Verwandlung, die durch neue, unerwartete Kombinationen von Menschen, Kulturen, Ideen, politischen Richtungen, Filmen oder Liedern entsteht" (S. 116).
Auf der anderen Seite steht die Verwissenschaftlichung sämtlicher Lebensbereiche. Als Beispiel dafür, der massive Einbruch der Wissenschaft Mitte der 80er Jahre, als Autoren wie Fritjof Capra, Hans Peter Duerr oder Peter Sloterdijk ihre populäre Wissenschaftsliteratur verfaßten und damit ein Millionenpublikum erreichten. "Wissenschaftlichkeit im Kunstanspruch bedeutet, so erkenntnisreich wie Wissenschaft, ja ihr sogar überlegen zu sein." (S. 12)

"Der Erzähler und der Cyberspace" möchte aber mehr als eine punktuelle Beleuchtung einzelner Phänomene sein. "Meinen Überlegungen liegt eine Untersuchung der Kunstvorstellung zugrunde, die seit den 60er Jahren die Avantgarde zur hohen Literatur befördert haben", so Grond im Klappentext. Hohe Literatur ist für ihn also per se Avantgarde. Und als Avantgarde kennzeichnet der Autor eine Literatur, die den Schreibakt vor den Leseakt stelle, die sich primär im Überbieten der Form übe, deren Ziel die Provokation sei, deren Autoren an ihrem Geniekult festhielten - der Autor als "Hoherpriester" (S. 118). Netzliteratur ist Literatur nach der Avantgarde, die bei Grond durchwegs negativ besetzt ist.

Das Befremdliche an diesem im Detail sehr interessantem Versuch einer Literaturgeschichte der letzten Jahrzehnte ist die normative Haltung, mit der Grond an seine Themen herangeht. Er beschwört zwar die neue Freiheit der Literatur, fordert sie selbst aber rigoros in negativer Abgrenzung zum Vorhergehenden ein. Man fragt sich, woher diese so einseitige Aggression aufs Vergangene rührt? Warum die neue Freiheit ausrufen und dann sofort Regeln festlegen, wie diese auszusehen habe? Weshalb dermaßen polarisieren - hier die gute offene Literatur, dort die abgeschlossene, verstiegene Avantgarde?

Weitaus weniger polarisierend und daher auch umso spannender lesen sich Gronds Einzelbetrachtungen zu Autoren und Werken. Die Analyse der Erzählstruktur von Johannes Mario Simmels "Es muß nicht immer Kaviar sein" führt zur Frage, ob Simmel nicht als Urvater einer Trash- und Hyperliteratur gelten darf. Weiters liefert Grond eine fundierte Aufgliederung der verschiedenen Erzählschichten in Dzevad Karahasans Roman "Schahrijars Ring". Erfreulich ist auch, daß Grond von keinem naiven Internet-Denken ausgeht, das Internet-Literatur allein als Texte zum interaktiven Selberbasteln betrachtet. Grond behandelt zwar diese Experimente, geht aber viel weiter in seiner Fragestellung. Wie verändern und erweitern die neuen Medien unser Denken und Leben? Und wie schlägt sich das in Literatur nieder?

 

 

 

 

Karin Cerny
6. April 1999

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