Leseprobe:
Sie haben ihre Autoschilder abgedeckt. Die neuen Ortstafeln sind zweisprachig. Sie reißen sie aus. Keine bleibt stehen. Ihre deutschen Vornamen kämpfen gegen ihre slawischen Nachnamen. Sie feiern den Sieg ihrer Vornamen und hupen wie bei einer Hochzeit. Der Albino wirft ein Ortsschild in den Grenzfluss. Im Licht des Autoscheinwerfers leuchtet sein Schneelockenkopf. Der Gutsbesitzer steht im Dunkel an seinen Wagen gelehnt, raucht und schaut zu. Geräumte Straßen führen zu namenlosen Ortschaften ohne Anfang und Ende in einer Landschaft aus Nebel und Schnee.
So einen wie ihn heißen sie im Städtchen Schmierer. Er selbst nennt sich Beschrifter. Er will nicht länger, dass seine Sprache auf der dunklen Seite des Mondes lebt. Sein Vater bebt am ganzen Leib, wenn er von seinen Stacheldrahttagen im Krepiergelände zu erzählen versucht und nur stammeln kann: Tote Tote Tote. Wenn es finster wird, schleicht der Sohn vom Slowenenhügel ins Tal und zittert nicht, wenn er die deutschen mit den slowenischen Ortsnamen übermalt. Tags darauf werden die Nachtlettern sichtbar im Wintersonnenlicht. Morgen wird er den Namen des Städtchens mit der Nummer überschreiben, die seinem Vater in den Unterarm ein tätowiert wurde.
( S. 75, 76)
© 2020, Wieser Verlag, Klagenfurt