"Hab i di, du bleder Taliban!"
Seidenbasts rettender Engel trug orangefarbene Dienstkleidung. Es handelte sich um den Straßenkehrer, dem er am Vortag den Bären mit dem Antiterroreinsatz aufgebunden hatte. Jetzt war er ihm unendlich dankbar. Denn in dem Augenblick, in dem er das Blitzen in Kecks Augen gesehen hatte, war ihm klar geworden, dass er sich niemals in die Obhut der Polizei begeben konnte. Es war ein Irrtum gewesen, zu glauben, dass er sich je von seiner Schuld reinwaschen konnte, und wenn, dann nicht mit Hilfe des österreichischen Strafvollzugs. Wollte er wirklich frei sein, musste er abermals die Flucht antreten. Er nahm den Geldkoffer an sich. Behalten wollte er ihn aber nicht. Wegen des Geldes hatte er die Aktion nicht durchgezogen. Außerdem gab es einen unfreiwilligen Helfer, dem er diese kurze Verschnaufpause, vielleicht sogar die Rettung aus diesem Abenteuer, zu verdanken hatte. Das war ihm allemal zweihunderttausend Euro wert. Er trat an den Müllmann heran und warf den Geldkoffer in dessen Karren.
"Das ist eine kleine Wahlspende. Viel Glück damit. Und sehen Sie, dass Sie schnell wegkommen. Der Typ hat sicher Komplizen."
Der Straßenkehrer nahm den Griff seines Karrens und suchte, so schnell er konnte, das Weite. (S. 238)
(...)
Eine Redensart besagt: Das Glück is a Vogerl. Ein schönes Bild dafür, dass man das Glück allzu leicht verscheuchen kann. Das liegt auch daran, dass es selten im schönsten Gewand daherkommt, sondern meistens in irgendwelchen abgetragenen Lumpen, und sich daher demjenigen, der nicht ein offenes Herz hat, zumeist verschließt. Den Straßenkehrer hatte nach seinem Reißaus bald die Neugierde gepackt, was in dem schwarzen Koffer drinnen sein mochte. Er stoppte seine Schritte und lugte über den Rand des Karren, in den Seidenbast zuvor den Koffer hatte hineinfallen lassen. Er nahm ihn an sich, schüttelte ihn und legte schließlich ein Ohr an eine Seite. Er vermeinte ein Ticken zu hören. Woraufhin er nicht lange überlegte und den Koffer in weitem Bogen in den Donaukanal warf. Eine terroristische Teufelsmaschine, so viel schien ihm klar. Ein geplanter Anschlag der Al-Qaida auf die goldene Wienerstadt, der gerade noch hatte verhindert werden können. Er suchte abermals das Weite, bevor der Sprengsatz im Wasser detonieren würde. Als er in sicherer Entfernung keine Explosion hörte, erklärte er sich das damit, dass wohl der Sprengstoff in der Nässe nicht hatte reagieren können. Zufrieden wandte er sich wieder seinem Tagwerk zu. Ein glücklicher Mensch, der den liebevoll gehauchten Kuss des Schicksals nicht gespürt hatte. (S. 242)
© 2008 echomedia Verlag, Wien.