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Erika Kronabitter: Ich auf chios.

(reihe mitnichten 3. hrsg. von petra nachbaur).
Wien: Das fröhliche Wohnzimmer, 2000.
65 S., brosch.; öS 100.-.
ISBN 3-900956-53-7.

Link zur Leseprobe

In einem sogenannten Vorspann zum "Reisebericht" wird erzählt, wie zufällig letztlich alles ist. Alles, was wir lesen, hätte mit der gleich großen Wahrscheinlichkeit auch ungeschrieben bleiben können. Die Reise nach Griechenland wäre beinahe nicht zustande gekommen, aber gerade die "Komplementärmenge" der Ereignisse gehört ebenso zur Geschichte wie die tatsächlich erlebte. Erika Kronabitter faßt diese Vor-Erlebnisse und Überlegungen in einem wunderbaren Motto zusammen: "Auch über träumen und enttäuschungen vergeht die zeit." (S. 7)

Der Kern des Buches beschäftigt sich mit dem Phänomen "Ich auf chios", wobei bereits die Großschreibung des "Ichs" in einem Text, der die Großbuchstaben meistens nur am Blockanfang eines Gedankens verwendet, bereits ein Programm ankündigt. Es geht um die Frage, was das Ich ausmacht, wenn es sich in einer neuen Umgebung selbst beschreiben soll.
Vom Montag 7.12.98 bis Mittwoch 17.2.99 gibt es genau datierte Tagebuch-Eintragungen, die aber nicht jeden Tag stattfinden. Zwar wird zweimal an einem Mittwoch ein leeres Blatt eingefügt, das jeweils die Anfälligkeit des Wochentags Mittwoch für Ereignislosigkeit dokumentiert, dann aber fehlen manche Tage, oder es wird ihnen zumindest nicht eine genaue Datierung zuteil.
Das schreibende Ich ist sich dieser Inkonsequenzen bewußt, selbst der genaueste Plan für die Aufzeichnung hilft nämlich nichts, wenn er sich nicht einhalten läßt. Aber auch andere Komponenten geben dem Ich zu denken, "warum schreibe ich in männlicher Form, wo ich ein weibliches Ich bin", heißt es einmal.

Leser und Schreiberin können sich mit diesem protokollartig angelegten Programm abfinden: Das Abdriften ist ebenso eine Aussage wie die Verunreinigung der Beobachtung, die Ablenkung oder einfach die Ermattung.
Neben diesen Themen der Schreibtheorie geht es zunehmend auch um Erwartungen und Klischees, die sich erfüllen oder durch ihr Gegenteil ebenfalls Erfüllung bringen. Das fängt schon damit an, daß es in der Zwischensaison auf Chios völlig anders zugeht als während der üblicherweise abgebildeten Hauptsaison. Das setzt sich fort durch jene strenge Kälte, die das Ich in eine schreibende Winterstarre versetzt und oft sogar ins Bett zwingt, um die restliche Körperglut zu bewahren.

Der äußere Ablauf des Chios-Aufenthaltes ist gekennzeichnet durch die Frage: Was macht die momentane Situation zu einer besonderen? Das impliziert die Überlegung, daß viele gewöhnliche Handlungen nur deshalb als erzählenswert erscheinen, weil sie an einem erzählenswerten Ort geschehen.

Während des gesamten Berichts gibt es immer wieder Schnappschüsse mit Katzen, die sich als strukturierendes Motiv für die Erinnerung nützlich machen. Daher werden die einzelnen Schnappschüsse auch als durchnummerierte Einstellungen markiert, wie man oft auch Filme markiert, um sie später den einzelnen Sequenzen der Realzeit zuordnen zu können.
Die Einheimischen sind mit ihren Sätzen über Europa und die Türkei genauso im Protokoll festgehalten wie ihre Körperhaltungen an den Tischchen, die als Obeliske des Zeitvertreibes dienen.

Erika Kronabitters Versuch über die Beschreibung eines atmosphärisch dichten Zustandes und das Reflektieren von Beschreibungstheorien ist spannend und leserfreundlich ausgefallen. Je nach Laune kann der Leser aus dem Text eine Urlaubsgeschichte, die Geschichte eines sensiblen Ichs, die Beschreibung eines Wendepunktes im Leben oder die Anleitung zum Verfassen von Biographien herauslesen. Und alle diese Schichten sind für sich genommen nicht nur unterhaltsam, sondern auch nützlich.
Ob für den nächsten Urlaub oder für das nächste Quartal zum Ausharren in der heimischen Gegend - "Ich auf chios" ist für das konzentrierte Abarbeiten der eigenen Befindlichkeit bestens geeignet.

Helmuth Schönauer
3. November 2000

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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