Den Sohn vorschnell als musikalischen Vaterimitator abzutun, dazu besteht jedoch überhaupt kein Anlaß. Eine sehr authentische Schwermütigkeit, echt gefühlt heißt das wohl damals, liegt früh schon über jene größeren Kompositionen gebreitet, die der junge Mann nicht bloß als Gelegenheitsarbeiten und auf Verlangen zu Papier bringt. So ist die Besprechung einer raren Aufführung von Werken Mozarts des Sohnes in Salzburg im Jahre 1998 mit einer vielsagendne Anspielung übertitelt: Ein Schubert aus dem fernen Lemberg in der Westukraine? Wenigstens hat Wolfgang das bescheidene Glück, seine wichtigsten Sachen knapp vor dem sechs Jahre jüngeren Kollegen geschrieben zu haben. Epigone ist er jedenfalls keiner, auch wenn der ursprüngliche Wortsinn dies nahezulegen scheint. Was ihm fehlt, fehlen muß, ist die übermenschliche Kraft zum Schattensprung. Das Ohr aber bleibt stets in die Zukunft gerichtet. Noch am Ende seines Lebens kümmert er sich intensiv um die jüngsten, die modernsten tonschöpfenden Zeitgenossen, wenn ihre Musik ihm zusagt. Wahrscheinlich eines der ersten Wiener Konzerte, in dem es Kompositionen von Chopin zu hören gibt, veranstaltet nicht zufällig drei Jahre vor seinem Tode der Polen besonders verbundene junge Mozart. Immer noch wird er allgemein so genannt. (S. 30)
Von Venedig ist er anfangs ebenfalls hell begeistert. Nichts Schöneres, nichts Grandioseres sei vorstellbar. Drei Tage später, nach ausführlichen Touren kreuz und quer durch die Lagunenstadt, hat sich das Bild gründlich gewandelt. Die baulichen Zeugen einstiger Größe böten zweifellos sehr viel für die Augen und den Verstand, notiert er, aber der Verfall verfolge ihn auf Schritt und Tritt. Solch ein Klima färbe zweifellos auf die Menschen ab, analysiert Mozart, Apathie, Armut und Bettelei seien die logische Konsequenz. Selbst Paganini habe beim Versuch, hier zu konzertieren, ein Defizit eingefahren. Mehr als es ihm lieb sein kann ist der junge Mozart emotionell von einer optimistischen, dynamischen Umgebung abhängig, er will mitgerissen werden, Die Zeiten, sie stehen eindeutig dagegen. Endzeitstimmung kommt auf bei ihm, in Venedig feiert er den dreißigsten Geburtstag, ohne zu erwähnen ob und wie. (S. 106)
© 1999, Haymon, Innsbruck.
Publikation mit freundlicher Genehmigung des Verlags.