An diesem Tag verspätete er sich. Als er gegen Mitternacht die beiden Türen seiner Kammer hinter sich schloß und das Licht in die Wandnische stellte, verschlug es ihm den Atem, und er konnte von Glück reden, daß ihn nicht auf der Stelle der Schlag getroffen hatte! Den Visitator überlief eine Gänsehaut, die Hände, mit denen er an der Wand nach Halt suchte, gehorchten ihm nicht mehr: im Fußteil des Bettes stak ein Kreuz, wie man es bei Prozessionen vorantrug, auf dem Kreuz hing eine schwarze Katze, die jetzt mit einem klagenden Miauen den Kopf bewegte, auf das Holz gespießt und die Augen ins Leere gerichtet. Von den Pfoten sickerte es noch, am Schaft rann träg die stinkende Flüssigkeit hinunter und tropfte auf den Boden, an der Oberfläche stockte sie schon, auf dem Fußteil des Bettes bildeten sich blutige, sämige Blasen. Eine Fleischfliege erwachte aus der Winterstarre und kroch summend aus der Ritze. (S. 40f.)
In der Menge brodelte es vor Lust, sie berauschte sich am Spektakel und genoß das Fest. Die Gerechten sahen im Flimmern der Luft einen Fingerzeig Gottes, im Flug der Vögel die armen Seelen und im Vogelgesang das Ächzen der armen Seelen, und der Augenblick war so, daß es keinen Ungerechten unter ihnen gab. Dazwischen stimmte manchmal einer der Mönche den Ton an, begann leise die schwarze Hymne Dies irae zu singen. Die Verzückten, von Anfang an auf der hellen Seite geboren, wärmten sich ihre Seelen in der Satisfaktion, die sich so wohlgefällig vor ihnen verwirklichte. Die dunkle Seite dieses schicksalhaften und lehrreichen Tages kam durch die jämmerliche Gestalt auf der kleinen Bühne zum Ausdruck, an der sich nun der Henker zu schaffen machte. (S. 156)
Der Polyhistor Vitezovic schreibt in seiner Kammer am Traktat, verfaßt den Bericht, blättert in der Mappe mit den Pergamenten, grübelt, geht auf und ab, geht hin und her. Die Bodenbretter knarren, das Holz, das noch nicht aufgehört hat zu trauern, weil die Axt so früh hineinfuhr, und der Wurmfraß, der ob des wonnigen Schaukelns jauchzt! Der Markt stöhnt unter dem Joch der Visitation, weil ihn der Archidiakon in Angst und Schrecken versetzt. Über Kappel braut sich Unheil zusammen, schreibt der Polyhistor. Der Patriarch von Aquileia, Kardinal Franziskus, weiht die Kirche Maria Dorn den 19. Oktober Anno Domini 1389, notiert er und hält inne, um Crnokruhovas Bild von der Wand zu wischen. Am hellichten Tag dringen durch sie die Geräusche des Abends und das dumpfe Gebrodel der Nacht. Wie ein düsterer Schatten setzte sie sich ihm auf das Rutenwerk im Kopf. Laufend ergießt sich ihm ihr Bild aus der Feder, mischt sich ihm ihr Bild aus der Feder, mischt sich in die Wörter und verdreht die Lettern, streicht um ihn herum, und es täte not, daß er selbst hinginge, um ihm Fleisch und Blut einzuhauchen, und als er das Signakel im Urbar und Kataster umschlägt, dringen ihre Funkelblitze zwischen den Blättern hervor. (S. 203f.)
(c) 1997 Wieser, Klagenfurt, Salzburg.
Publikation mit freundlicher Genehmigung des Verlags.