Eierpecken:
Kulinarisches Rahmenritual
zum Osterfest. Zwei
Menschen, jeweils zum
Verzehr eines hart gekochten
Ostereis entschlossen, knallen
die Eier vor dem Schälen, je
nach Vereinbarung, mit den
spitzen oder stumpfen Seiten
aneinander; das im Anschluss
unversehrte Ei (oder sein
Lenker?) hat gewonnen.
Es ist im Grunde eine ganz und gar unösterliche Moral, die dem Eierpecken zugrunde liegt, eine ethische Botschaft, die jener auferstandene Jesus, zu dessen höheren Ehren die ganze Sache ja stattfinden soll, so vielleicht gar nicht gutgeheißen hätte und die man mit zwei Worten treffend umschrieben hat: Härte siegt. Scheinbar geht es ja um andere Dinge bei diesem Fressbrauch, der im ländlichen Österreich wenn nicht lieber, so doch selbstverständlicher betrieben wird als in Ballungsräumen. Scheinbar geht es um taktische Fragen, welche sich schon bei der Auswahl der Vorstufe des Huhns zu stellen beginnen. Man wähle unbedingt kleine Eier, raunen die Spezialisten. Man achte darauf, dass die Schale so wenig Verwerfungen - Buckel, kleine, warzenartige Erhebungen - wie möglich zeigt. Aber hier sind die Fachleute uneinig: Nein, sagen nämlich manche, genau so ein Wimmerl kann ein Ei zum Champion machen. (...)
(S. 64f.)
© 2003, Verlag, Deuticke, Frankfurt am Main.
Publikation mit freundlicher Genehmigung des Verlags.