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Kathrin Röggla: Abrauschen.

Roman.
Salzburg, Wien: Residenz, 1997.
127 S., geb.; öS 248.-.
ISBN 3-7017-1078-3.

Link zur Leseprobe

Daß die deutschsprachige Gegenwartsliteratur saft- und kraftlos sei, langweilig, weil bloß altklug die Schreibtechniken der Altvorderen wiederkäuend, ist ein periodisch wiederkehrender Befund: Ihr Lebensgefühl am Schopf packen sollten sie, die jungen Autorinnen und Autoren, und in einer zupackenden direkten Sprache davon berichten, was sie so umtreibt!

Die 26jährige österreichische Autorin Kathrin Röggla, seit dem Erscheinen ihres Debütbandes "Niemand lacht rückwärts" vor zwei Jahren selbst Hoffnungsträgerin einer neuen vitalen Literaturszene, spielt den Ball zurück: Eingeklemmt zwischen den müde gewordenen Kämpen der 68er Bewegung, konfrontiert mit den karrieremachenden Überfliegern, mit wenig Lust auf Rebellion gegen die Elterngeneration bleibt der "erbengeneration" anscheinend wenig mehr übrig, "als des weges zu kollern".

Folgerichtig passiert wenig im Roman "Abrauschen": Eine junge Frau kommt aus Berlin in ihre Heimatstadt Salzburg, um dort eine Wohnung zu verkaufen. Sie hat ein kleines Kind und einige Ideen vom möglichen Leben; sie fühlt sich fremd in ihrer Heimatstadt. Die restlichen Figuren sind schwer zu fassen, sie besitzen comichafte Züge.
Wir erkennen Punks, Ex-Hausbesetzer, einen Wohnungsmakler, einen, der immer von der Vergangenheit redet. Aus der Verklärung der Vergangenheit jedoch ist kein Schuh zu machen, der für die Gegenwart paßte. Weit weg andrerseits ist auch der Planet der 16 bis 20jährigen. Der Ort von Kathrin Rögglas Erzählerin liegt im Dazwischen.

In Douglas Couplands Kultroman "Generation X" sitzen einige junge Leute an einem verlassenen Ort herum und denken über Gott und die Welt nach. Sonst tun sie nicht viel. Die Ausgangslage ist der von Kathrin Rögglas Roman vergleichbar und doch auch wieder nicht: Unverkennbar ist der Horror vor der Durchschnittsexistenz der "ottonormalverbraucher", die wie "aufgespießte schmetterlinge" ihr Leben in "büros und lagerhallen" ausrinnen lassen.

Coupland läßt seine Figuren einfach drauflos reden, in den Geschichten, die sie einander erzählen, artikuliert sich ihre Sehnsucht nach einem anderen Leben. Kathrin Röggla dagegen macht mobil in der Sprache selbst. Heraus kommt eine verschobene Sprache, die nicht zur Deckung gelangt mit der Gewöhnlichkeit des Alltäglichen. Die Autorin mischt idiomatische Wendungen, sie bildet Wörter neu, sie konstruiert schiefe Metaphern, sie spielt mit der Wechselwirkung von wörtlichem und übertragenen Sinn.

Rögglas Schreibweise, die das abgehalfterte Gesprochene aufspießt und ins Absurde dreht, bewahrt die Autorin vor Larmoyanz und betulichem Weltschmerz. Man kann, wenn man möchte, an Werner Schwab denken oder an Elfriede Jelinek, doch ist ihre Sprache nie epigonal oder bloße Manier.
Doch gibt es Passagen, wo die Autorin diesen Stil nicht durchhält. Die Aufzählung der Bestandteile, aus denen Kleinbürgerlichkeit sich zusammensetzt, der wiederholte Verweis auf die Unerträglichkeit des Provinziellen lassen den Roman immer wieder auf der Stelle treten. Tugenden wie Frische, Jugendlichkeit, Ironie und Unbekümmertheit, für die die Autorin nach ihrem Erstling gelobt wurde, erscheinen mit einer dünnen Patina aus philosophierendem Räsonnement und zu deutlich vorgetragener Botschaft überzogen.

Kathrin Röggla zählt zweifellos zu den begabtesten Autorinnen ihrer Generation. Ihr experimenteller Sprachgestus bringt verblüffende Wendungen hervor. Dieser Sprachgestus stößt jedoch an seine Grenzen, wo er nicht mehr vor den Wagen einer gemachten Erfahrung oder einer gemachten (sprachlichen) Wahrnehmung gespannt wird, sondern als Vehikel einer Botschaft oder einer allgemeinen Feststellung zum schlechten Zustand der Welt dienen soll.

Bernhard Fetz
13. September 1997

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