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Leseprobe: Peter Truschner - "Die Träumer."

(S. 12-14)

Als Robert ihr von hinten seine Hände auf die nackten Schultern legte, schrie sie nicht auf, wie sie es sonst tat. Sie wußte, daß er auf diesen Schrei wartete und ein wenig enttäuscht war, als er ausblieb. Dennoch war etwas anders als sonst: Roberts Hände - es waren die Hände eines Mannes, der körperliche Arbeit verrichtete, der Holz hackte, Getreidesäcke schleppte oder Kartoffeln aus der Ackerfurche aufsammelte, Hände, mit denen sie seit ihrer Kindheit nicht mehr in Berührung gekommen war. Der Mann, der gewiß ihr Mann war und doch gleichsam über Nacht zu einem anderen geworden war, löste das Handtuch, das sie sich um die Hüften gewickelt hatte, ließ es zu Boden fallen und preßte sanft seinen bekleideten Körper gegen ihre Nacktheit. Die Masse, der Druck, die Wärme, die Spannung - die Physik dieser Umarmung sprach eine deutliche Sprache. Sie wandte sich nicht um - Robert drehte sie zu sich her. Es schien ihm ein Bedürfnis zu sein, daß sie ihn so sah, wie er war - gleichgültig, ob sie es guthieß oder nicht. Natürlich war er kein anderer geworden, nur weil seine Hände von ungewohnter körperlicher Arbeit Schwielen hatten; weil seine Fingernägel dreckig waren; weil er dunkle Ränder unter den Augen hatte und überhaupt abgearbeitet aussah - auch wenn dies alles in seinem Fall nicht unbedingt das Werk einer Woche oder gar eines Monats war, sondern wahrscheinlich nur eines einzigen Tages. Es war etwas Geducktes an ihm, das ihm in jenem Augenblick den Status eines Unbekannten verlieh. Er hatte einen fast gemeinen Gestank an sich. Er stand nicht wie sonst gerade da - neugieriger und doch in sich gekehrter Blick, markantes Kinn, hohe Stirn -, sondern hing wie an einem Kleiderbügel in der Luft. Er würdigte sie nicht eines Blicks, sondern vieler kleiner, ein Kartenspieler, der wahrscheinlich nur ein bescheidenes Blatt in Händen hielt, sich aber dennoch am Ausspielen erfreute. Iris hätte ihn gerne gefragt, wo er gewesen war. Was er gemacht hatte. Sie hatte den ganzen Tag über vergebens versucht, ihn am Handy zu erreichen, hatte ihm zwei E-Mails geschickt, die unbeantwortet geblieben waren. Ihn in seinem Büro anzurufen war sinnlos, da er fast nie ans Telefon ging, um abseits von Sitzungen und Besprechungen allem institutsinternen Kram aus dem Weg zu gehen; ein Verhalten, mit dem er sich bei den Kollegen rasch unbeliebt gemacht hatte. "Ich lerne gerade die Stadt kennen", sagte er. Sie fragte nicht nach, was das zu bedeuten hatte. Sie kannte ihn genug, um zu wissen, daß er ihr früher oder später davon erzählen mußte, ob er wollte oder nicht.

© 2007 Zsolnay Verlag, Wien.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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