Und das war der sogenannte Salzburger Kulturbetrieb: Eine erstklassig gegenüber Leuten wie mich abgeschottete Gemeinschaft, eine Familie, als dessen Oberhaupt sich der tolle Hofrat sah!
Eines stand jedenfalls fest: Er - und niemand sonst! - machte die von Grund auf verlogene Kulturpolitik dieses Landes! Denn der eigentlich dafür Verantwortliche, der sozialdemokratische Landesrat, machte auf seine nichtstuende Art deutlich, daß er am allerwenigsten daran interessiert war, sich von ungehobelten Unterschicht-Rabauken aus Industriedrecksnestern die heilige Kultur verunreinigen zu lassen. Privat interessierte diesen - wie der Hofrat von tiefsitzenden Standesdünkeln beherrschten - Kleinbürger die Blasmusik, beruflich biederte er sich bei Opernsängern an und half erfolgreich mit, deren Millionengagen nach oben zu treiben; und das alles aus panischer Angst, jemand könnte ihn - diesen engstirnigen Spießer vom Zuschnitt ehemaliger DDR-Bonzen! - irrtümlicherweise gar für einen Sozialisten halten, nur weil er dieser Partei sein stattliches Einkommen und eine absolut sorglose Zukunft verdankte! (S. 33f.)
Fast zwei Wochen lang nahm ich mir keine Zeit, mich von etwas anderem zu ernähren als von Kaffe, Würsteln, Spiegeleiern und Erdäpfeln mit Salz und Butter. Ich hatte den Scheck noch nicht eingelöst und weder einen neuen Tiefkühlschrank noch eine neue Waschmaschine gekauft. Die Berge an Schmutzwäsche und ungewaschenem Geschirr wuchsen beständig an.
Je intensiver ich arbeitete, desto mehr verfestigte sich in mir der Eindruck, daß diese Autobiographie im Grunde für mich, denjenigen, der sie schrieb, nicht weniger fiktiv war als ein erfundener Roman. Und dieses Gefühl nahm zu, je vertrauter mir das Leben dieses Menschen - als das einer fiktiven Person! - wurde. (S. 212)
(c) 1998, Otto Müller, Salzburg.
Publikation mit freundlicher Genehmigung des Verlags.