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Elfriede Gerstl: Lebenszeichen.

Gedichte Träume Denkkrümel.
Mit einem Nachwort von Elfriede Jelinek.
Illustrationen von Heinrich Heuer, Angelika Kaufmann
und Herbert J. Wimmer.
Graz, Wien: Literaturverlag Droschl, 2009.
ISBN 978-3-85420-763-4.

Link zur Leseprobe

als toter hat mancher / mehr zulauf / als jemals bei seinen lesungen schrieb sie in dem Gedicht "tot müsste man sein" aus dem Band "alle tage gedichte" (Droschl, 1999). Dass man erst verstorben wirklich geschätzt wird, ist ein alter Hut, von dem ich nicht weiß, ob die modebewusste Elfriede Gerstl ihn als Vintage klassifiziert, oder mit spitzen Fingern angegriffen ("nein: angefaßt" – wie Freundin Elfriede Jelinek im Nachwort meint), und höchstens zum Jux geschwind aufgesetzt hätte. Nach ihrem Tod am 9. April 2009 war Gerstl immerhin, wenn nicht in aller, so wenigstens in vieler Munde und in den Zeitungen; auch in Deutschland. Ob ihr das gefallen hätte, ob sie fast immer zu haben gewesen wäre für so eine schnelle nummer, wie sie es in "vorfabrikat für absagen" formulierte, und gar nachher mit netten menschen / k u r z in ein café gegangen wäre, kann niemand wissen.

Gewiss ist, was in den posthum bei Droschl erschienenen "Lebenszeichen" unter der Überschrift "einem vorwurf vorauseilend" zu lesen steht, jetzt habe ich eine ahnung / dass ich keine ahnung habe / wie – bitte – geht es mir.

Das Buch enthält Gedichte, ein Dramolett, eine Reihe Winzigerzählungen (sogenannte "träume") und einige "Karten", die ich als gerstlsche Aphorismen bezeichnen will.

Elfriede Gerstls "Lebenszeichen" sind recht privat. Privat, im Sinn von "für sich bestehend", nicht unbedingt als Gegensatz zu öffentlich, sie gewähren Zutritt zu einem persönlichen Kreis, der – das kommt auch durch die Sprache – Vertrautheit vermittelt. heimat in einem mann / heimat in einer frau ... heimat kann man nicht buchen / nur suchen. Gerstl schreibt, wie ihr der Schnabel gewachsen ist. Aber so einen Schnabel muss man sich erst einmal wachsen lassen, der derart präzise die delikatesten Körner aus dem emotionsschleim pickt. Sie war eine "Skeptikerin, die den Worten mehr vertraut hat als sonst etwas", heißt es in Jelineks liebevollem Nachwort, das unter anderem die Konkretion dieser Dichtung hervorhebt. Und das Konkrete. Nichts wird behübscht. Alles ist, was es ist. Das Duschen ist mühsam, wenn man alt ist, das Aufstehen ist mühsam, das klo riecht wie pfirsich und reizt mit dem penetranten Duft die Nase. Und gerade weil es ist, was es ist, verzaubert es den Leser wie den sprachwald, der handlich wirkt, aber sobald man sich an einen Stamm lehnt, hört man hinten die ehschonwisser und zruckredner knurren.

Gerstls Gedichte kommen seit jeher leicht daher, "beiläufig", hätte sie gesagt, und machen's einem leicht. Leicht tun soll man sich damit aber nicht.
In der von der Dichterin selbst vorgegebenen Maxime, dass ein Gedicht leicht wie ein vogel / oder ein schmetterling zu sein habe (mein papiererner garten, Droschl 2006), steckt – unbewusst vielleicht – das Wesen ihrer Texte. Wissen Sie wie hart das Leben eines Schmetterlings ist?

"Wos i ois dalebt hob, nua weil is aushoit", hat auf einer langen Zugfahrt einmal ein Mitreisender zu mir gesagt.
zwei stimmen, heißt es in einem der "träume", einer sagt: der ist aber schrecklich dick. der andere: der muss so ein, in dem sitzt mein vater drin.

"Lebenszeichen" ist ein Buch, das jeder lesen kann und überall; auf einem Parkbankerl, im Spital oder auf dem Schoß während der Vorlesung. Ja, die Gerstl muss jeder lesen, vom Sandler bis zum Rektor. Und jeder wird etwas davon haben. weniger sparen / mehr leihen / 2009! lautet eines der letzten Worte der Dichterin, denn ärger als arg / kanns eh nicht werden.

 

Andrea Grill
7. Oktober 2009

Originalbeitrag

Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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