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Leseprobe: Klaus Ratschiller - "Kollege M."

Noch sind sie eine einzige und vielgliedrige Klasse. Einige schauen zum Fenster, möglichst ins Weite oder Leere, saugen gedankenverloren am Trinkhalm, vor ihnen das schon länger geschlossene Heft, daneben ruht eine Hand. Da und dort die ersten ausgestreckten Beine. Eine Haarbürste wandert von ganz hinten in die zweite Reihe. Still schwebendes Pfand. Irgendwo krachen Gelenke, und rechts hinten stöhnt es leise auf. Vorne antwortet ein Lachen. Die meisten beugen sich bis zuletzt über ihr Heft, blättern vor und zurück, streichen etwas aus, legen den Angabezettel ein, nehmen ihn wieder heraus, um erneut nachzulesen. Andere schreiben, den Kopf schon ganz knapp über dem Papier, in höchster Eile auf ihren Schlusssatz zu, einer blättert geräuschvoll um, wieder zurück, schüttelt den Kopf, streicht durch und schreibt dann weiter. Währenddessen ein letzter Blick auf die Uhr. Und sofort heben einige, als wäre dieser Blick das Zeichen zum Aufbruch, ihre Tasche auf den Tisch oder den Schoß und räumen ihre Bücher und Schreibsachen ein. Die ersten stehen auf und schauen sich um, ob nicht jemand anderer vor ihnen den Weg zum Lehrertisch nehmen wolle.
(Seite 5)

Er schüttelte, über die Seite gebeugt, unwillig den Kopf, als wollte er die Stimmen aus sich verscheuchen, aber die heftige Bewegung machte nicht Ruhe, sondern nur Platz für einen feinen, scharfen Stich über der rechten Augenbraue, hinter dem Auge, sein Körper verspannte sich, und plötzlich im Hals diese Enge. Er wollte weiterlesen, aber irgendetwas hatte sich verschoben, als hätten sich Felsformationen im kaum messbaren Bereich bewegt, als stemmten sich die einen Kräfte gegen einen neuen Riss, und als setzten die anderen etwas frei, das steigen will, fliehen. Einen zähflüssigen Kern, wo vorher nichts war als gleichförmiges Rauschen. Als wäre der Körper vor dem Schreibtisch nicht mehr die Form, die hält, sondern aus sich herausdrängt. Er war in etwas geraten, dem er nicht gewachsen war. Zu viel zerrte in ihm, zu viel wollte er bei sich behalten. Er bemerkte, dass er die Stelle mit eingezogenem Kopf gelesen hatte, mit übers Kinn gezogenem Pullover und hochgezogenen Schultern. Er schaute starr aus sich auf die Zeilen des Buchs, wie aus einem Loch, knapp vor der Flucht, aber zurück konnte er nicht mehr. Er hatte die Beschreibung seines Körpers gelesen.
(Seite 95)

© 2009 Edition Atelier, Wien.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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