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Michael Donhauser: Vom Sehen.

Wien/Weil am Rhein/Basel: Urs Engeler, 2004.
189 S.; geb.; Eur 17,76.
ISBN 3-905591-84-7.

Link zur Leseprobe

Ich kannte einmal einen Dichter. Der schrieb Sätze wie: "In Zeiten des Übergangs werde ich durchsichtig. Für alle, die sehen." Bei Donhauser hat das Sehen, von dem da schon im Titel des vor kurzem bei Urs Engeler erschienenen Bandes die Rede ist, nicht diese Bedeutungsschwere - und doch: annähernd.

Der Band versammelt Prosatexte, die zwischen 1992 und 2004 entstanden und verstreut erschienen sind. Ein typischer Sammelband, möchte man meinen: Kraut und Rüben, hingeworfen wie Kraut und Rüben. Aber: Irrtum! Donhausers Band weist, trotz der Disparität der Themen, Erscheinungsorte und -daten, eine erstaunliche Homogenität auf. Diese Homogenität ist stilistischer Natur. Donhauser ist Poet. Seine Sprache gehorcht immer zuerst dem Klang und dann erst der Bedeutung.
In den Texten Die Aprikose und Flugsamen bekommt sie überdies etwas Impressionistisches: Telegraphenstangen wechseln sich da ab mit Blüten und Blättern und allerlei Vegetativem, auch weniger bekannten botanischen Bezeichnungen. Die Syntax spiegelt die Fülle einer aus irgendwelchen unerfindlichen Gründen nicht beschädigten Welt. Zuweilen erinnert sie an proust'sche Beschreibungskaskaden, wo sich Form und Inhalt, ja selbst das syntagmatische Fortschreiten in ein paradigmatisches Stillehalten auflösen. Auch in Texten wie Die Elster und Umgebung, die sich auf ein Bild von Claude Monet beziehen, wuchert Donhausers Sprache solcherart und konkurriert mit der impressionistischen Malerei. Im Text Die Gärten, der für das westfälische Künstlerprojekt zum Droste-Hülshoff-Jahr 1997 entstanden ist, erlebt man, ja spürt man geradezu, was ein Garten ist oder war. Die Worte erhalten bei Donhauser ihre Farbe, ihre Bildhaftigkeit zurück. Sie stehen für sich, wie Prototypen, wie Gattungsnamen, wie die stolzen Anführer einer Herde, die repräsentativ für alle zur Herde gehörigen Tiere dastehen.

Zwischen solchen poetischen Miniaturen findet sich aber plötzlich auch, wenig unterschieden in Ton und Strahlkraft der Sprache, Literaturwissenschaftlich-Essayistisches. Etwa im Text L'ébat des anges, wo Donhauser über Rimbaud, sein Gedicht Mémoire, über Pygmäengesang und über das heimische Jodeln schreibt und daraus eine ganz eigene Poetik entwickelt. Oder auch in der Kritik des reinen Verlusts - zu Adalbert Stifter und seinem Nachsommer. Ein wohl unfreiwilliger Beitrag zum Stifterjahr, in dem der Linzer Landesschulinspektor weniger als Nachfahre klassizistischer Vorfahren, sondern als Relikt aus dem (epischen) Mittelalter erscheint. Auch hier zeigt sich: Donhausers Sprache ist dehnbar, biegsam, auch für Metasprachliches geeignet. Da stört es kaum, dass die Übersetzung des Rimbaud-Gedichts wenig gelungen scheint. (Und das bei einem Dichter!) Dass nicht einmal das so entscheidende und für den Essay titelgebende L'ébat des anges so übersetzt wird, wie es am naheliegendsten wäre: als Schlagen der Flügel. Denn was tun Flügel anderes? Sie spielen doch nicht, sie schlagen und ihre Schläge können verletzen, so kraftvoll sind sie mitunter.

Donhausers Buch ist ein unzeitgemäßes Buch. Wo überall nach Beschleunigung gerufen wird, setzt er Verlangsamung, Innehalten, Genauigkeit des Sehens, Fühlens und Riechens, Differenziertheit, Synästhesie! Man muss das nicht mögen. Mitunter habe ich mich nach Entschlackung gesehnt, nach klarer Kontur, nach Abkürzung statt der ausufernden, immer etwas verwischten impressionistischen Punktierung. Und doch bleibt der Eindruck eines Buches, das alle Qualitäten von Dichtung aufzuweisen hat.

 

Nicole Katja Streitler
9. Februar 2005

Originalbeitrag

 

 

 

 

 

 

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