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Adelheid Dahimène: Gar schöne Spiele.

Roman.
Klagenfurt: Wieser, 1998.
180 S., geb., öS 248.-.
ISBN 3-85129-241-3.

Link zur Leseprobe

Vier Ich-Erzähler, mit den Zeitbestimmungen "Jemals", "Damals", "Niemals" und "Abermals" ausgestattet, werden auf Wanderschaft geschickt, um mit einer Geschichte zurückzukehren. Die vier Zeitreisenden geraten jedoch im Lauf ihrer jeweiligen Erlebnisse zunehmend unter Druck, denn ein anonymer fünfter Erzähler versucht mit einem landkartenähnlichen Spielplan und der Taktik von Sherlock Holmes' Verfolger Professor Moriarty, alle Geschichte(n) an sich zu reißen.

Die Grundkonstruktion des Romans ist einerseits eine wissenschaftliche Versuchsanordnung - "Spieltheorie ist das Studium strategischer Situationen. Zwei oder mehrere Individuen müssen Entscheidungen treffen ..." (S. 180) - andererseits eine Variante jenes Spiels, "das Kinder bei Geburtstagsfeiern mit Begeisterung immer wieder von neuem von vorne anfangen, indem sie auf Zettel zum Auslosen schreiben: Hol einen Kochlöffel bei der Nachbarin. Geh zum Pfarrer um einen Becher Weihwasser. Bring vom Metzger einen Saurüssel. Schrei zum Markttor hinaus Oh Herr, ich bin dumm und weiß nicht warum" (S. 32).

Adelheid Dahimène - übrigens auch preisgekrönte Kinderbuchautorin - ist versiert genug, um aus dem Ganzen kein trockenes Laborexperiment, sondern erlebnisreiche Lesestunden zu machen. Was die Spieler mit ihrem Startkapital erleben, bevor sie wieder zum Treffpunkt an die Biegung des Flusses gelangen, hat trotz verwirrender Vielstimmigkeit einen Hauch von Krimi-Spannung und brilliert zusätzlich durch sprachlichen Witz, der sich im Spannungsfeld zwischen Avantgarde und Volkssprache entfaltet: "Ich küsse der Maid eine Spur Staubzucker von der Wange und wünsche mir zum Abschied einen Sohn auf Nimmerwiedersehen. Wir jedoch, wir lesen uns." (S. 79)

Die einzelnen Erzähler gewinnen ihre Kontur keineswegs nur aus ihrer Zeitbestimmung: Die Wirtin etwa, die später ins Jemals geschickt wird, lernen wir gleich auf der ersten Seite als Schreiberin kennen, die im Leben ihrer Freunde, die auch diesen Herbst den Regen in der Region Pyhrn-Eisenwurzen nicht scheuen und mit ihren neuesten literarischen Ergüssen aus allen Himmelsrichtungen anreisen, als Gastgeberin auftritt. Während sie sich vorstellt, sichert sie ihre eigene Geschichte, die sie beim bevorstehenden Treffen zum Vortrag bringen will, auf Band. Sozusagen als Fußnote zu ihrer Person erfahren wir, daß sie, "während andere dort draußen im Leben, wo es heute regnet, herumirren und sich im Geradeaus verrennen" (S. 9), meistens dasitzt und wartet - eine Unentschiedene, die am liebsten ein Leben lang vor leeren, unbeschriebenen Blättern sitzen und immer unschuldig sein will.

Schon läutet das Telefon und der Schreiber kündigt sich an, muß abgeholt werden. Unter schnell aufeinanderfolgenden Zwischenüberschriften, die aneinandergereiht den Text eines Kanons ergeben (Heo! Spann den Wagen an! Sieh der Wind! Treibt Regen! Übers Land! Hol die goldnen Garben!), begleiten wir den dänischen Würfler und den Musiker ein Stück ihres Weges, bis schließlich auch sie im Haus der Wirtin eintreffen.

Zusätzlich ist der Text noch von einem geheimnisvollen Scherenschleifer, einer Küchenmagd aus der Region Pyhrn-Eisenwurzen, von den Gegenspielern Sherlock Holmes und Professor Moriarty und von zahlreichen flüchtigen Reisebekanntschaften bevölkert. Am Ende der Geschichte(n) haben die vier Spieler ihr Bestes und dabei beinahe ihr Leben gegeben, in den Wirren der Ereignisse wurden sie aber ihrer Aufzeichnungen beraubt. - War es der Landstreicher, der Scherenschleifer, ein Mitspieler? Wem ist nun noch zu trauen, wer hat sich welche Geschichte einverleibt?

Was bleibt ist, daß "jeder zumindest seine Geschichte wirklich erlebt" hat (S. 149). Ob das ein Gewinn ist, entscheidet jeder Mitspieler für sich - auch der Leser, denn in der Spieltheorie kommt die Rolle des Außenstehenden nicht vor.

Sabine Schuster
18. Juni 1998

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