IC 2066, Kilometer 9, Vaihingen (Enz)
Wir tauchen in eine Tunnelröhre, schlagartig verschwinden Schnee, Bäume, das Augenzwinkern der Meisen (hämisches, wohlgemerkt).
Ich kann sie nicht sehen, sie kann mich nicht sehen und der Geräuschpegel schwillt an. Höllenritt, Alter.
Das Lichtlein am Ende des Tunnels wird ausgeknipst, überall sparen sie Energie (Umweltschutz für Anfänger), aber das hilft uns nicht weiter.
"Wie lang wohl der längste Tunnel der Welt ist?"
Kein kluges Lexikon zur Hand, die Pannen läppern sich (muss ich nachliefern!). "16 Kilometer", behaupte ich siegessicher.
(Wie breit sind wohl Bergsohlen?)
"Das Ding unter dem Ärmelkanal zählt nicht, das ist kein Tunnel, nur eine Unterführung", sichere ich mich ab.
Sie schweigt (vorsätzlich, weil sie auch keinen Schimmer hat).
Im Abteil nebenan grölen ein paar Frohnaturen, wissen sich im Dunkeln wohl gut zu durchmischen.
Etwas schlägt von außen gegen die Abteiltür, groß, schwer, bestimmt nichts für schwache Nerven.
"Geschlechtsreife Löwen?"
Es sollte witzig sein, doch langsam mache auch ich mir Gedanken.
Eine Stunde (echt?) schon kein Tageslicht, es kommt mir länger vor, so ist es wohl, wenn man irgendwo verloren geht.
"Auf dem Rückweg doch via München, nicht?"
Sie keucht beipflichtend, aber wie aufs Stichwort wühlt sich der Zug aus dem Berg, Sonnenschein in ihrem Zopf, Streulicht an meinem Haaransatz.
© 2010 Czernin Verlag, Wien.