... im Rahmen der Literaturhaus-Ausstellung 2006.
Kraus-Handschrift wiederentdeckt.
Das Manuskript der "magischen Operette" "Literatur oder man wird doch da sehn" von Karl Kraus galt bisher als verschollen. Martin Leubner, der 1996 im Wallstein-Verlag eine vorzügliche "genetische Ausgabe und Kommentar" vorlegte, konnte sich dementsprechend bloß auf die nahezu vollständig erhaltenen Fahnen- und Umbruchsätze stützen. Nun ist aber das fehlende Glied in der Entstehungsgeschichte der 1921 erschienenen Krausschen Expressionismus-Satire auf überraschende Weise wieder zum Vorschein gekommen und steht der Forschung zur Aufarbeitung zur Verfügung.
Im Zuge ihrer ausgedehnten Recherche-Arbeiten in Hinblick auf eine (inzwischen abgeschlossene) Dissertation über Mechtilde Lichnowsky ist Anne Martina Emonts (Universität Madeira, Portugal) im tschechischen Landesarchiv Opava, das einen Teil des Nachlasses von M. Lichnowsky aufbewahrt, auf das verschollene Manuskript gestoßen, das sie sogleich identifizieren konnte. Es wurde - vielleicht noch in den Zwanziger Jahren - von Karl Kraus der mit ihm eng befreundeten und von ihm hochgeschätzten Schriftstellerin geschenkt. Der Text - 57 Seiten in der unverwechselbaren Handschrift von Karl Kraus - gelang in das Archiv zusammen mit anderen umfangreichen Lichnowsky-Materialien (Inventar-Nr. RAUSL, Karton 12, Nr 95) und wurde irrtümlich der Autorin von Der Kampf mit dem Fachmann zugeschrieben; es verschwand somit aus den Augen der Kraus-Forschung. Die nun wiederentdeckte Handschrift, die, wie so oft bei Kraus, zahlreiche Umänderungen, Streichungen, Hinzufügungen aufweist, wird das Bild der Entstehung des Dramas entscheidend konturieren helfen.
Die in deutscher Sprache verfasste Dissertation von Anne Martina Emonts - Mechtilde Lichnowsky: Sprachlust und Sprachkritik - wurde vor kurzem von der Universität Madeira angenommen und wird in absehbarer Zeit im Druck erscheinen. In der Dissertation kommt das Verhältnis Karl Kraus - Mechtilde Lichnowsky verschiedentlich zur Sprache.
António Ribeiro Prof. Doutor António Sousa Ribeiro Instituto de Estudos Alemães Faculdade de Letras Universidade de Coimbra P-3004-530 Coimbra Portugal.