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Leseprobe: Florian Neuner - Ruhrtext

Auffahren, Aufschließen. Einfahrt

Es kann ja nicht immer so bleiben. Zwischen Emscher & Ruhr. Es ist eine umstrittene Landschaft, von der hier berichtet werden soll. Landschaft oder das, was von ihr geblieben ist. Fetzen, Reste, die die Industrie zurückgelassen hat. Eine eigenwillige Natur & eine neuartige Landschaft. Manchmal hält der Nebel Wochen an. In dieser schweren, kalten Landschaft. Die Stadt ist wie ein Gerüst oder wie ein Netzwerk, in dessen Felder jedermann die Dinge einordnen kann, an die er sich erinnern mag. Die Gegenwart bestimmt das Gesicht dieser Landschaft. Gewaltige Industriewerke, Schlackenhalden, vom Ruß geschwärzte Häuser unter rostbraunen oder düsteren Rauchwolken. Kohlenbergbau, Eisen- & chemische Industrie (Kohleveredlung). Gleisanlagen, Kühltürme, Winderhitzer, Hallen & Halden. Die Namen der Städte gleiten vorüber: Oberhausen, Gelsenkirchen, Herbe, Gladbeck, Bochum, Witten. Erschrecken vor der Fremdheit der Industrielandschaft. Zerschnitten von Eisenbahnen, Autobahnen & Rohrleitungen. Schlacken, Mauerreste, Bahndämme, Stahlträger, Absetzbecken. Formen, die die Stadt hätte annehmen können, wäre sie nicht aus diesem oder jenem Grunde so geworden, wie wir sie heute sehen. Massive Schönheit & abrupte Häßlichkeit. Einfamilienhäuser, Gewerbegebiete in der erstaunlichsten Mischung aus Werkstätten, Villen, aufgegebenen Hallen & Schuppen, wilde Kleingärten & Brachflächen, Discotheken & Billigmärkte. Krankenhäuser, Reiterhöfe, Reste von Landwirtschaft. Der Nebel wird sich ein paar Tage halten. Westfalen ist ein Land, in dem nicht nur viel Bier getrunken wird, sondern in dem auch die Sonne weniger hell scheint. Das Ruhrgebiet ist ein urbanes Planetensystem ohne Zentralgestirn. Eine polyzentrische Stadtlandschaft mit fünf Millionen Einwohnern. Eine chaotische Landschaft, in der sich Mietskasernen, Schornsteine, Sportplätze, Zechentürme, Parkanlagen, Aschenhalden, Villen in Barockmanufaktur, Gartenlokale, Hochöfen, burgenhafte Fabrikfassaden & Kolonien im Schwarzwälder Puppenstil unaufhörlich durcheinanderschieben. Stadt reiht sich an Großstadt, keine zusammenhängende Feldmark ist mehr vorhanden. Das ursprüngliche Grün der Natur, die Wälder, sind im wesentlichen vernichtet. Das Ruhrgebiet kennt keine Grenzen. Der Zuständigkeitsbereich des Regionalverbands Ruhr ist größer als der tatsächlich als Ruhrgebiet wahrgenommene Raum. Die Stadt ist übervoll. Sie wiederholt sich, damit irgend etwas im Gedächtnis haften bleibt. Eine Sammlung von sauberen & vernachlässigten Ortsteilen, von planlos gewachsenen Gewerbegebieten, grünen Abstandflächen & wenig aufregenden Stadtzentren. Ein Auseinanderfallen ohne Ende & Form. Fährt man von Duisburg über Oberhausen nach Gelsenkirchen: Wie eine Kriegslandschaft sieht es aus.
(S. 9f.)

© 2010 Klever Verlag, Wien

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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