Wir wollen, daß es ausgeht. Ob gut oder schlecht, das ist zweitrangig. Wir wollen, daß es ausgeht, und das zum richtigen Zeitpunkt. Wir wollen dem Ende entgegenfiebern oder es hinausschieben, weil wir uns davor fürchten, wir wollen uns befreit wissen, wenn der richtige Moment verpaßt wurde, wenn die Sache zäh wird. Wir überlegen in solchen Fällen ernsthaft, das Kino einfach während der Vorstellung zu verlassen, das halb gelesene Buch einfach zur Seite zu legen, wir haben die Fernbedienung des Fernsehers schon in der Hand.
Auch Jelena will nichts sehnlicher, als daß es ausgeht. Nur hat sie nicht den geringsten Einfluß auf den Gang ihres Verfahrens. Es gibt gewisse Richtwerte, erklärt ihr der Anwalt, ungefähr drei Jahre Wartezeit zum Beispiel bei Anrufung des Höchstgerichtes. Die sind längst überschritten bei ihr. Es rührt sich nichts. Sie muß sich weiter in Geduld üben, obwohl sie in dieser anstrengenden Disziplin ohnehin geübt ist wie wenige.
Sie hat sogar länger zu warten, als dieser Roman ihr Platz einräumen will dafür, über die letzte Seite hinaus nämlich. Natürlich ließe sich das ändern. Dem Publikum zuliebe und seinen Bedürfnissen. Andererseits: Gibt es einen vernünftigen Grund, daß es der Leserschaft besser gehen soll als ihr?
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© 2011 Haymon Verlag, Innsbruck-Wien.