20. November
09:41
Tower Bridge. Ich habe mir versprochen wiederzukommen. Und ich habe mein Versprechen gehalten.
Ich stehe wieder hier. Ich fühle wieder diese Angst. Und wieder möchte ich ihr ein Ende machen.
Ich gehe Richtung Laura. Ich gehe am Ufer entlang, über einen kleinen geschotterten Fußweg gehe ich am Ufer entlang. Die Steine knirschen unter meinen Füßen, und ich sehe den Schiffen dabei zu, wie sie sich die Themse entlangmühen. Ich höre, wie die Kolben ihrer Motoren stampfen, um die schweren Lasten zu bewegen. Ich sehe ein Ausflugsboot, von dem sich Touristen die Brücke ansehen können. Von dem ich mir Brads Boot ansehen könnte, denke ich. Und ich sehe meinen Füßen dabei zu, wie sie weitergehen, wie sie mich immer näher an Laura herantragen. Immer näher an Laura und Brad.
Ich habe keinen Mut, noch näher an die beiden heranzugehen. Und doch gehen mir meine Füße voraus. Zornig, ich weiß nicht auf wen, auf mich oder auf Laura, gehen mir meine Füße voraus.
Ich fürchte mich mit jedem Schritt mehr. Und mit jedem Schritt wird auch meine Wut stärker. Die Wut auf Laura, die hier bei Brad ist, die hier vielleicht glücklich ist und die mich mit genau diesem Glück verunsichert, mir mein Selbstvertrauen nimmt, mein Vertrauen in mich, in Laura und mich.
Meine Wut treibt mich voran, treibt mich durch meine Angst hindurch doch nur wieder auf die gleiche Angst zu, auf die Angst vor Laura und Brad.
Ich will schon dort sein, will Laura sehen und Brad. Und will das, obwohl ich gleichzeitig nichts weniger will, als zu sehen, wie Laura mir entgegenkommt. Wie sie von Brads Boot aus fröhlich an Land geht und ich ihr nicht mehr ausweichen kann.
Ich will sie nicht sehen, nicht einmal aus der Entfernung, ich will nicht sehen, wie glücklich Laura auf Brads Boot sein könnte.
Und meine Angst gewinnt. Oder gewinnt nicht. Ich weiß es nicht. Setze mich aber hin. Setze mich auf die Kaimauer, lasse meine Füße baumeln und schaue ins Wasser. Sehe den Bugwellen der Schleppkähne dabei zu, wie sie an die Ufermauer klatschen, wie sie wieder zurück ins Wasser laufen und von der nächsten Welle überrollt werden, die schon am Ufer ankommt.
© 2011 Luftschacht Verlag, Wien