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Leseprobe: Sepp Mall - Berliner Zimmer.

So hatte ich meinen Bruder kaum einmal erlebt. Gregor war vor Schrecken erstarrt und verschwand fast in der Ecke seiner schwarzen Ledercouch. Er hatte es tatsächlich nicht fertig gebracht, die Klinke herunterzudrücken und vor das Haus zu treten, um sich zu vergewissern, wer der Mann vor seiner Haustür wirklich sei. Er hatte nicht einmal versucht, den Alten über seine Gegensprechanlage zu fragen, was er denn wolle. Oder was dies alles zu bedeuten hätte.
„Du bist doch sonst nicht so auf den Mund gefallen“, sagte ich zu Gregor, „warum hast du Vater nicht gesagt, dass er tot ist und gefälligst unter der Erde bleiben müsse.“
Ich hoffte, dass ihn vielleicht mein Sarkasmus aus seiner Apathie reißen würde, aber Gregor starrte mich nur erschrocken an. Sein Gesicht bestand aus nicht viel mehr als seinen aufgerissenen starren Augen, und weder mit Spott noch mit gutem Zureden gelang es, ihn auf den Weg einer nüchternen Betrachtungsweise zurückzuführen. Mir fiel Gregors Politikergesicht ein, das noch vor sieben Monaten von sämtlichen Plakatwänden der Stadt heruntergelächelt hatte, mit einem verschmitzten, fast weisen Zug um die Mundwinkel. Aber das war jemand ganz anderes gewesen, eine Person, die nur zufällig denselben Namen wie mein Bruder trug.
„Er ist tot“, sagte ich, „das hättest du diesem Kerl sagen sollen, tot, tot, tot.“
Gregor riss seine blauen Augen noch weiter auf und ich konnte nicht widerstehen, noch eins draufzusetzen.
„Und wenn das alles nicht zutrifft, hättest du ihm ins Gesicht sagen sollen, dann muss etwas passiert sein, das du, Gregor, nicht mehr verstehen kannst. Die biblische Apokalypse oder so etwas Ähnliches. Stattdessen versteckst du dich verängstigt in deinem eigenen Haus und wartest, bis dein toter Vater, oder wer immer der Mann vor deiner Haustür auch war, den Rückzug antritt, ohne irgendeine Erklärung. Du bist doch sonst nicht so ein Hosenscheißer!“

(S. 14f)

© 2012 Haymon Verlag, Innsbruck.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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